Die Zukunft der Variantenfertigung

„In kurzer Zeit Kundenwünsche befriedigen“

Bild: MSG Treorbis GmbH
Bild: MSG Treorbis GmbH

Sie haben die Daten angesprochen. Wie können diese bestmöglich genutzt werden?

Neuhaus: Mit einem Produktkonfigurator und einer Visualisierungssoftware allein ist es nicht getan. Zunächst muss man sich darüber im Klaren sein, welche Produktvielfalt man hat bzw. haben möchte. Dort kommen häufig Interessenkonflikte ins Spiel: Was möchte der Vertrieb verkaufen und was ist tatsächlich in den letzten Jahren verkauft worden? Theorie und Praxis gehen dabei häufig auseinander. Auch in diesem Bereich gibt es mittlerweile intelligente Software, die es ermöglicht, über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg Abhängigkeiten und Merkmale eines Produktes zu erfassen und diese für den Vertrieb, die Produktion und den Einkauf transparent zu machen. Daraus lässt sich dann ableiten, an welchen Stellen es Optimierungspotenzial gibt.

Wie verändern sich – z. B. durch die bereits angesprochenen Produktkonfiguratoren – Geschäftsmodelle?

Neuhaus: Aus dem Consumer-Bereich sind wir bereits an eine große Variantenvielfalt und Produktkonfiguratoren gewöhnt. Diese wirken sich im B2B-Bereich auf die unterschiedlichen Vertriebskanäle aus. So können für Endkunden mit wenig Produktkenntnissen einfache Konfiguratoren zur Verfügung gestellt werden. Genauso wie für den technischen Experten im Verkaufsinnendienst oder beim Händler komplexe Konfiguratoren genutzt werden können. Zudem werden immer mehr Services rund um das Produkt nach dem Verkauf angeboten. Durch die digitalen Konfigurationsinformationen kann der Kunde selbst sein Produkt im 3D-Modell auf einer App auswählen, hat die Möglichkeit Erweiterungen zu konfigurieren oder Ersatzteile zu bestellen. Zudem kann er über Maschinendaten, die ihm das Produkt liefert, frühzeitig Störungen erkennen – z. B. durch ein fehlerhaftes Bauteil. So entstehen letztendlich neue Serviceprozesse für das verkaufte Produkt.

Verändert das auch die Beziehung zwischen Kunde und Fertiger?

Neuhaus: Der Kunde bekommt frühzeitig ein Bild von seinem Produkt. Was früher technische Zeichnungen waren, lässt sich mittlerweile fotorealistisch darstellen – gegebenenfalls sogar in der entsprechenden Raumumgebung. Das sind sicherlich Möglichkeiten, die man früher als Endkunde nicht hatte.

Das bedeutet auch, dass der Weg vom Entwurf zum Produkt ein schneller ist. Wie flexibel müssen Fertiger denn heute sein?

Neuhaus: Variantenfertiger haben heute den Zwang, in möglichst kurzer Lieferzeit die Kundenwünsche zu befriedigen und zugleich wirtschaftlich transparent zu sein. Was wir also aus dem Handel bereits kennen, hält auch Einzug in das B2B-Geschäft. Und darin liegt die Herausforderung.

Mehr Varianten bedeutet auch, dass Anfälligkeit für Fehler steigt. Wie kann man dem entgegenwirken?

Neuhaus: Durch gutes Stammdatenmanagement und mit Hilfe von Konfigurationsregeln. Häufig werden durch Techniker und Ingenieure manuelle oder nur teilweise durch Software unterstützte Planungen durchgeführt. Oder der Vertrieb verkauft auf Basis von Mustern oder Standards. Die individuellen Wünsche werden oft aufgrund von Erfahrungswerten verkauft. Ein Konfigurator folgt klaren Regeln. Diese werden für jeden nutzbar gemacht. Jede neue Erfahrung kann durch Regelwerke digitalisiert werden. Auch Abhängigkeiten unter den verschiedenen Merkmalen einer Konfiguration und über eine gesamte Anlage sind nutzbar, um Fehler zu vermeiden.

Wer wird in Zukunft erfolgreich sein?

Neuhaus: Der, der seine Kundenwünsche in kurzer Zeit liefern kann und trotzdem höchste Qualität bereitstellt. Das Produktwissen sollte im Vordergrund stehen und das Verkaufen sollte zum Erlebnis werden. Wenn dann noch Liefertermin, Preis und natürlich auch die Wirtschaftlichkeit zu jedem Zeitpunkt des Verkaufens bekannt ist, wird man erfolgreich sein.

(mst)