Greenfield-Anlage für die Fahrzeuglackierung

Komplett automatisiert lackiert

Elektromobilität ist ein Markt mit Zukunft, auf dem neben den etablierten Automobilherstellern auch zunehmend neue Anbieter auftauchen – auch aus China. Die Dürr AG errichtet für Anhui Jianghuai Auomobile eine automatische Lackiererei. Das Werk im chinesischen Hefei ist auf eine Kapazität von 100.000 Einheiten pro Jahr ausgelegt und soll im Juni 2018 den Betrieb aufnehmen. Entstehen soll eine Smart Factory mit umfassender Datennutzung.

Automatisierte Lackiererei - Ecosmart VEC regelt das Frisch- und Abluftvolumen des Trockners entsprechend seiner aktuellen Auslastung.
Bild: Dürr Systems AG

In der neuen Lackiererei von JAC (Anhui Jianghuai Automobile) sollen künftig im Auftrag eines lokalen Elektrofahrzeugherstellers batteriebetriebene Personenkraftwagen entstehen. Die Fahrzeuge erhalten in der automatischen Lackiererei, die von der Dürr AG errichtet wird, später ein Zweiton-Farbdesign. Die Steuerung der gesamten Anlage mit Datenerfassung und -auswertung sowie Anlagenüberwachung übernimmt die konzerneigene iTac-MES-Suite. Die modulare MES-Anwendung ermöglicht zu jedem Zeitpunkt einen Einblick in die Produktionsabläufe sowie die Verbrauchsdaten.

Neue Abläufe beim Lackieren

Beim Bau von Elektrofahrzeugen werden vermehrt Kunststoff- und Leichtbauteile eingesetzt, die separat lackiert werden und erst in der Endmontagelinie an die Karosserie montiert werden – etwa die Kotflügel oder die Kofferaumhaube. Darauf stellen sich die Abläufe in den Lackierlinien ein. Bevor die Karosserien in der Lackierkabine ihren Decklackauftrag erhalten, durchlaufen sie die Vorbehandlung (VHB) und die kataphoretische Tauchlackierung (KTL). Für den Auftrag des Korrosionsschutz-Lacks kommt das Rotationstauchverfahren Rodip zum Einsatz. Die Rotationsbewegung der Karosserien ermöglicht den Verzicht auf Ein- und Auslaufschrägen beim Tauchbecken, wodurch weniger Platz benötigt wird. Aufgrund kleinerer Badvolumina als bei vergleichbaren Anlagen verbraucht Rodip weniger Energie, Wasser und Chemikalien und trägt so zu einer Reduzierung der Stückkosten bei. Im Anschluss werden die Nähte am Unterboden abgedichtet, ein flächiger Unterbodenschutz aufgetragen und Dämmschutzmatten im Innern der Karosserie aufgespritzt. Diese Aufgaben übernimmt der neue 3D Applikator EcoGun2, der nach Herstellerangaben für alle Dichtungsmaterialien und -Prozesse eingesetzt werden kann. Die neue Kanalführung im Applikatorkopf ermöglicht höhere Standzeiten und ein geringeres Druckniveau in der Materialversorgung. Die Applikatoren sind auf insgesamt acht EcoRS 16 beziehungsweise EcoRS 30L16 Robotern montiert und tragen das Dichtungsmaterial automatisch auf die Karosserien auf. Die Lackierlinie selbst besteht aus einer Füllerstation sowie einer Innenlackier- und zwei Außenlackierstationen für den Decklack. Dort werden die Karosserien teilweise ausgeschleust und für die Zweiton-Dachlackierung erneut in die Decklacklinie gefördert. Der abschließende Klarlackauftrag erfolgt ebenfalls in vollautomatischen Innen- und Außenlackierstationen.

Emissionen reduzieren

Zur Reduzierung der Lösemittelemissionen wird der Abluftstrom nicht nur aus den Klarlackkabinen abgereinigt, sondern auch aus den Farbmischräumen. Da hier im Lackierprozess besonders große Abluftvolumenströme entstehen, die jedoch nur geringe Schadstoffbeladungen aufweisen, ist die Kombination aus einer effizienten Aufkonzentrierung für flüchtige organische Verbindungen (VOC) mit nachgeschalteter thermischer Abluftreinigung ideal. Die Energie für die Desorptionsluft in der KPR-Anlage wird aus dem Reingas der thermischen Abluftreinigung zurückgewonnen. Dadurch reduziert sich der Energiebedarf. Die Abluftreinigung Ecopure reduziert die Lösemittelemissionen um mehr als 95 Prozent. Insgesamt sorgen 26 EcoRP E/L033 und EcoRP E/L133 Lackierroboter für den Lackauftrag. Acht Ecorp 130 Scara-Roboter unterstützen den Lackierprozess als Türöffner und ein Ecorp 133 agiert als Haubenöffner im Frontbereich.

Zerstäuber für den Innenraum

In der Lackiererei setzt Dürr erstmals bei einem lokalen chinesischen Automobilhersteller die Ecobell3 Ci-Zerstäuber ein. Sie eignen sich besonders für die Innenlackierung und kommen ohne Potenzialtrennung aus. Durch die kompakte Bauweise erreicht der Zerstäuber auch schwer zugängliche Stellen. Die Hochspannungstechnik ist auf minimale Eigenverschmutzung und hohe Qualität sowie einen hohen Lackauftragswirkungsgrad ausgelegt. Kurze Spül- und Farbwechselzeiten sowie schnelle Reinigungsintervalle in Kombination mit dem Zerstäuberreiniger Ecobell Cleaner D2 sollen für hohe Anlagenkapazität und Produktivität sorgen.

Lackiererei automatisiert - Bild zeigt den EcoBell3 Ci Zerstäuber
Bild: Dürr Systems AG

Intelligent gesteuert

Die in Hefei eingesetzte Software zur Frisch- und Abluftsteuerung ist noch recht neu. Das System Ecosmart VEC arbeitet automatisch und stellt Energie bedarfsgerecht zur Verfügung. Zudem bietet das System eine vorausschauende Steuerung: Sie steuert den Volumenstrom von Frisch- und Abluft in Abhängigkeit von Anzahl und Position der Fahrzeuge, die sich im Trockner befinden. Das System passt auf dieser Basis den Output in jeder einzelnen Trocknerzone an. Die Abluft aus den Trocknern wird über die integrierte Nachverbrennung Ecopure-TAR mit Wärmerückgewinnung gereinigt und danach wieder zur Trocknerbeheizung genutzt. Die Bediensoftware Ecoscreen 3D-OnSite wurde ebenfalls kürzlich um Programmier- und Simulationsmöglichkeiten ergänzt. Die Software dient als Werkzeug zur Parametrierung, Programmierung und Simulation von Robotern der Ecopaint-Serie. Der neue 3D-Kern der Anwendung unterstützt gängige CAD-Datenformate. Die Robotersteuerung EcoRPC wiederum stellt Prüffunktionen wie Ventil-, Bremsen- oder Pumpentests zur Verfügung. Auf dieser Basis erhält der Betreiber ein ständig aktualisiertes Zustandsbild der Anlagentechnik. Über Ampelfunktionen werden die Ergebnisse der Tests visualisiert, damit Anlagenbediener schnell erfassen können, ob beispielsweise ein Ventil sofort zu tauschen ist oder ob alles zuverlässig im grünen Bereich arbeitet. Eine weitere Softwarefunktion der Steuerung regelt das Zusammenspiel von Hauptnadel im Zerstäuber und Dosierpumpe. Das selbstlernende System ermöglicht präzise Schaltpunkte für die Lackierbahnen der Roboter und ermittelt gleichzeitig den Verschleiß an Pumpe und Nadel. Die sensorbasierte Farbdruckregelung soll dafür sorgen, dass die Pumpe mechanisch so wenig wie möglich beansprucht wird und eine konstante Ausflussmenge sicherstellen, damit die Prozessqualität konstant bleibt. In Hinblick auf zukünftige Anwendungen lassen sich die Robotersteuerungen in ein zentrales Datennetz einbinden und können die prozessrelevanten Informationen der Sensoren und Aktoren als Datenstream an übergeordnete Wartungs- und Steuerungssysteme beim Kunden oder an die Service Cloud von Dürr übertragen.