Datenpunkte in der Batteriezellfertigung setzen

Batteriezellen werden in vielen komplexen Schritten gefertigt.Bild: Fraunhofer FFB

Der Wandel der Mobilitätsbranche hin zur Elektrifizierung geht nicht ohne Batterien und der Bedarf für entsprechende Produktionskapazitäten steigt. Doch die Herstellung ist komplex, mit zahlreichen Prozessschritten und Wechselwirkungen. Der Produktionsprozess kann in drei Schritte eingeteilt werden: Der Elektrodenfertigung, der Assemblierung und der Zellfinalisierung. In der Elektrodenfertigung werden aus den verschiedenen Rohmaterialien die Anode und die Kathode der Batterie produziert. Diese werden dann in der Assemblierung zu einer fertigen Zelle verbaut, bevor diese in der Finalisierung erstmalig bestromt wird. Die zahlreichen Wechselwirkungen zwischen den Prozessschritten, machen eine umfassende Aufnahme von Produktionsdaten an jeder Anlage notwendig.

IT-seitige Anbindung von Anlagen

Wahrscheinlich aufgrund der Komplexität des Herstellprozesses der Zellen hat sich auf dem europäischen Markt noch kein Generalunternehmer für Fertigungsanlagen der gesamten Prozesskette etabliert. Die Anlagen einer Fabrik dürften also von unterschiedlichen Firmen stammen. Hinzu kommt die viele Messtechnik, die aktuell für die Zellfertigung entwickelt wird. Um die Datenaufnahme über alle Prozessschritte hinweg sicherzustellen, werden Konzepte, Standards und definierte Schnittstellen benötigt. Zuerst fallen die Daten an der Anlage oder einem Messsystem an. Von dort aus fließen sie in einem Scada-System oder einer IIoT-Plattform zusammen. Die aggregierten Daten können dann in den übergeordneten IT-Systemen, beispielsweise dem MES, zur Produktionsplanung und -Optimierung oder für Analysen und Visualisierungen genutzt werden. Genauso findet eine Kommunikation von den IT-Systemen zurück zur Produktion statt.

Ansätze für die Datenintegration

Der erste Schritt im Schema ist die Überführung der Daten aus Anlagen und Messsystemen in eine übergreifende Plattform. Die Heterogenität der Prozesse erschwert diese Anbindung, für die im folgenden verschiedene Ansätze vorgestellt werden. Diese Ansätze wurden an der Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle FFB (Fraunhofer FFB) entwickelt. Die Fraunhofer FFB ist eine Forschungseinrichtung, in der industrienah die Produktion von Batteriezellen erforscht wird. Dazu wird zunächst die ‚FFB PreFab‘ mit einer Musterlinie für die komplette Batteriezellproduktion im kleineren Maßstab aufgebaut. Anschließend folgt eine Fabrik im Gigawattmaßstab, in der verschiedene Prozessschritte und gängige Batteriezelltypen erprobt werden.

Kommunizieren über OPC UA

Die OPC Unified Architecture (OPC UA) von der OPC Foundation bietet viele Funktionalitäten für den Einsatz als Schnittstelle zwischen Shopfloor und IT. Zum einen ermöglicht OPC UA eine vom Protokoll unabhängige Kommunikation, die Daten verschiedener Kommunikationsprotokolle, wie TCP/IP oder MQTT zusammenführt. Darüber unterstützt OCP UA sowohl das Client/Server-Modell als auch Pub/Sub-Kommunikation. Somit ist die Architektur für viele Anlagen und Messsysteme, je nach Frequenz der Daten, der bestmögliche Kommunikationsweg. Der größte Vorteil von OPC UA wird aber durch die Nutzung von Informationsmodellen und Companion Specifications deutlich. Diese ermöglichen eine standardisierte Datenübertragung, losgelöst von den Parameterbenennungen der Anlagenhersteller. Das Problem des Übersetzungs- und Transformationsaufwandes bei inkompatiblen Datenbeschreibungen entfällt. Daten aus der Batteriezellfertigung gelangen häufig nur über Konnektoren aus ihren Systemgrenzen hinaus. Mit OPC UA können Daten hingegen einfach und kontextbezogen weiterverarbeitet werden. Wenn etwa in den Meta-Daten des Parameters verankert ist, dass es ein Temperaturwert ist, können identische Datenverarbeitungs-Pipelines auf alle Temperaturwerte angewandt werden. Eine weitere Herausforderung speziell für die Batteriezellfertigung ist es, dass noch keine einheitlichen Standards und Companion Specifications bestehen. Aufgrund der relativen Neuheit der Branche und einer limitierten Anzahl an Experten, gibt es noch keine finalen Listen an relevanten Parametern. Diese Herausforderungen werden in dem Forschungsprojekt Enlarge, an dem die Fraunhofer FFB beteiligt ist, adressiert. Basierend auf Standards wie EPCIS, ISO/IEC19987, OPC UA und bestehenden branchenspezifischen Companion Specifications soll eine Art Meta-Standard existierende Standards künftig verbinden und erweitern, um das Zusammenspiel der Komponenten für die Batteriezellfertigung zu beschreiben.

Edge Computing fängt Schwächen ab

Eine weitere Besonderheit der Datenkommunikation in der Batteriezellfertigung sind die vielen zu verarbeitenden Messwerte. In der Zellfinalisierung, bei der Formierung, werden beispielsweise Spannungsverläufe pro Zelle in einer Granularität von wenigen Millisekunden aufgezeichnet, um das korrekte Laden der Zelle sicherzustellen. Eine hohe Zahl an Batteriezellen produziert Datenvolumen, die OPC UA Server überlasten. Edge Computing Devices können dieses Problem lösen. Diese Rechner werden direkt im Produktionsbereich platziert und über ein eigenes Netzwerk mit der Steuerung der Anlage oder mit der Messtechnik verbunden. Die Performance und Latenz der Verbindung reicht für anfallende Kommunikationsaufgaben aus, und bei Bedarf können performantere Kommunikationsprotokolle genutzt werden, um von den Edge PCs auf die Messdaten zuzugreifen oder Dateiformate zu übertragen, die nicht durch OPC UA unterstützt werden. Messtechnik kann so direkt an den PC angebunden werden. Oder die PCs können durch den Einbau von Grafikkarten für KI-Auswertungen eingesetzt werden. Da die Verbindung über ein eigenes Netzwerk stattfindet, bleibt diese von Netzwerkausfällen und -problemen verschont, Backups liegen lokal ab. Zusammengenommen lässt sich sagen, dass OPC UA in der Batteriezellfertigung wirkungsvoll hilft, heterogene Datenquellen mit einem übergeordneten System zu vernetzen. Die Edge-PCs fangen dabei die Grenzen von OPC UA ab, indem sie besondere Datenformate verarbeiten und ein durchgehendes, leistungsstarkes und resilientes Netzwerk bereitstellen.

Autor:

Nils Christian Hamacher ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle FFB.







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