Augmented Reality für Schulungen
Trainieren am virtuellen Elektromotor
Wenn sie anderen nur über die Schulter schauen, sind Auszubildende oft nur wenig aktiv und der Lernerfolg wohl verbesserungsfähig. Mit Augmented-Reality-Technik ließen sich Trainings schon deutlich interaktiver gestalten. Um neue Mitarbeiter besonders schnell zur Fertigung der gefragten Elektromotoren zu befähigen, hat es BAE Systems daher mit AR, VR und Co. versucht – und erzielt hervorragende Ergebnisse.
Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) halten zunehmend Einzug in die Unternehmen und das über alle Abteilungen hinweg: Beispielsweise können Servicetechniker mit Hilfe von virtuellen Schritt-für-Schritt-Anleitungen Geräte und Maschinen im Feld warten und reparieren. Auch in der Ausbildung kommt die Technologie zum Einsatz. Dabei ist es vor allem die praktische Interaktion, durch die der Benutzer Aufgaben besser üben und im Gedächtnis behalten kann, als es gängige, passive Lernmethoden versprechen. AR- und VR-Technologien könnten somit Handbücher und Trainingsanleitungen zuweilen ablösen oder zumindest sinnvoll ergänzen. Unternehmen argumentieren auch, dass diese Technologien die Sicherheit der Mitarbeiter erhöhen könne, da der Blick nicht ständig etwa in ein Handbuch abwandern müsse. Argumente wie diese haben wohl auch das Luftfahrtunternehmen BAE Systems bewogen, VR- und AR-Technik zu nutzen.
Augmented Reality als Lernhilfe
Für die E-Busse der Hybridrive-Serie produziert das Unternehmen hybride elektrische Antriebssysteme – mittlerweile sind 8.000 Einheiten weltweit im Einsatz. Die Nachfrage nach den Elektromotoren ist in den vergangenen Jahren angestiegen – und damit auch das Produktionstempo beim Produzenten. Neue Mitarbeiter sollen helfen, den Bedarf zu decken. Da es sich bei den Antrieben jedoch um sehr komplexe Produkte handelt, musste BAE nach Lösungen suchen, das zeit- und kostenintensive Training so effizient wie möglich zu gestalten, damit neue Mitarbeiter schnell produktiv eingesetzt werden können. Bisherige Lernmethoden beschränkten sich häufig auf passives Zuschauen bei Arbeitsabläufen, den Einsatz von Lernvideos oder auf das Lesen eines Handbuchs. Interaktive Lernenmethoden gab es nicht. Virtuelle und erweiterte Technologien eignen sich gut, um praktisches Wissen zu vermitteln und die Auszubildenden aktiv miteinzubeziehen. Zusätzlich ermöglichen sie es, den Lernprozess flexibler und kürzer zu gestalten sowie schneller Ergebnisse zu erzielen. Der Thin[gk]athon, veranstaltet vom Smart Systems Hub, vereint kollaborative Intelligenz und Industrie-Expertise, um in einem dreitägigen Hackathon innovative Lösungsansätze für komplexe Fragestellungen zu generieren. ‣ weiterlesen
Innovationstreiber Thin[gk]athon: Kollaborative Intelligenz trifft auf Industrie-Expertise
Ohne Programmieren einsetzbar
Als AR-Hardware dient die Hololens von Microsoft. Mit dieser Datenbrille können Anweisungen direkt in das Sichtfeld der Nutzer eingeblendet werden. Die Anweisungen selbst werden über das Vuforia Studio für erweiterte Realität von PTC generiert, in dem die AR-Anwendung erschaffen wird. Die Anwendung nutzt die 3DCAD-Daten von Produkten, Maschinen oder ganzen Anlagen, um virtuelle Abbildungen erstellen zu können, die frei in den Raum oder auf das physische Pendant projiziert werden. Auch Echtzeitdaten, etwa von Sensoren, die über die IoT-Plattform Thingworx erfasst werden, können bei Bedarf einbezogen und angezeigt werden. Programmierungs- oder Codierungskenntnisse sind nicht notwendig. Per Drag-and-drop und mit Hilfe von vorbereiteten Widgets kann sich die Zeit zur Erstellung von AR-Inhalten auf wenige Stunden reduzieren.
AR-Anwendungen erstellen
Das Luftfahrtunternehmen entwickelte eine eigene AR-Schulungsanwendung inklusive einer visuellen Schritt-für-Schritt-Anleitung, mit der der Monteur die Batterie komplett zusammenbauen kann. Für die Erstellung der Anwendung wurden zunächst die vorhandenen 3DCAD-Daten der Batterie in PTC Creo Illustrate geladen. So entsteht eine digitale 3D-Repräsentation der Batterie, mit der einzelnen Schritte und Sequenzen des Zusammenbauens definiert sowie die verschiedenen Schritte per Drag&Drop erstellt werden können – beispielsweise welche Schrauben wie zu lösen sind. Zur besseren Veranschaulichung bietet ein Editor unterschiedliche Gestaltungsvarianten zur Auswahl. So können unter anderem einzelne Teile aufblinken, damit der spätere Nutzer den nächsten Schritt erkennt. Ist die erstellt, werden sowohl die 3DCAD-Daten als auch die Animation selbst in das Creo Viewing Format PVZ übertragen. Der Ersteller der AR-Anwendung legt in Vuforia Studio ein neues Projekt an, wählt das entsprechende Anzeigemedium aus und startet mit der Platzierung der Elemente im Arbeitsbereich. Zunächst wird eine sogenannte Thingmark positioniert, die zum einen zur Identifikation der Anwendung und zum anderen als Referenz für die Platzierung der Elemente im Raum verwendet wird. Neben verschiedenen Anzeige- und Kontrollelementen lädt der Ersteller auch das 3D-Modell inklusive der erstellten Animation in das Projekt und platziert es im virtuellen Raum. Darüber hinaus können auch Gesten und Sprachbefehle für die Aktivierung von Aktionen definiert werden. Bevor die Anwendung zur Verwendung in die Cloud hochgeladen wird, kann diese noch lokal getestet werden. Am Ende wird eine digital lesbare Markierung am entsprechenden physischen Gerät platziert. Durch Scannens dieser Marke mit der Hololens kann die Anwendung gestartet werden.
Mitarbeiter lernen schneller
Durch die AR-Anwendung sind zeitintensive Trainings sowie Handbücher nicht mehr nötig. Neue Mitarbeiter lernen, wie die Batterie richtig zusammengebaut wird, indem sie die Schritte via Datenbrille vor sich eingeblendet bekommen. Im Durchschnitt, so schätzt das Unternehmen, können neue Mitarbeiter 30 bis 40 Prozent effizienter geschult werden, als vor der Einführung des neuen Systems. Die Ausgaben für die Hard- und Software sowie den Kompetenzaufbau dürften sich vor diesem Hintergrund in vertretbarer Zeit amortisieren.