Leitfaden zur Migration auf SAP EWM MFS

Bild: ©thanapun/stock.adobe.com

Um als Produktionsunternehmen praxisgerecht zu beantworten, was bei der Implementierung von SAP EWM zu beachten ist, müssen sie sich über die Ausgangsposition im Klaren sein. Das schließt vor allem den Blick auf die einzelnen Softwareebenen ein, die das Lager bislang kennzeichnen. Als Veranschaulichung dient folgende Skizze.

Ebene 1 – Das Scada-System bringt Transparenz in die Anlage.

Ebene 2 – Die Materialflusssteuerung (MFS) steuert den Weg eines Ladungsträgers – etwa Behälter oder Paletten – vom Quell- bis zum Zielplatz.

Ebene 3 – Die Stellplatzverwaltung (SV) speichert, welcher Ladungsträger sich aktuell wo befindet.

Ebene 4 – Die Bestandsverwaltung (BV) erfasst, welches Material in welcher Qualität auf den Ladungsträgern ist.

Lagersteuerungsmodelle

Wie die Softwarefunktionen der Ebenen 1 bis 4 realisiert sind, kann sehr unterschiedlich sein. Dabei sind einige prototypische Modelle zu unterscheiden:

Bild: Artschwager und Kohl Software GmbH

Modell A – Die BV, SV und die MFS sind mit der AS in der SPS A1 realisiert.

Modell B – Die BV ist in einer Software B1 auf dem Server angesiedelt. Den Rest übernimmt die Software B2 in einer SPS.

Modell C – Hier verwaltet eine Software C1 die Bestände und die Stellplätze auf einem Server. MFS und AS sind als Software C2 in der SPS realisiert.

Modell D – Die Software D1 auf dem Server ist für die BV, SV und MFS zuständig. In der SPS läuft nur die AS.

Modell E – Das neue SAP EWM System E1 läuft auf dem Server und kommuniziert mit der AS in der SPS E2.

Je nach der Art des zu ersetzenden Ausgangsmodells (A bis D) unterscheiden sich die erforderlichen Anpassungen in ihrem Aufwand auf dem Weg zum Zielmodell E.

Welche Details sind wichtig?

Bei der praktischen Umsetzung stehen fünf Problemkomplexe im Vordergrund, bei denen einige Best Practices Orientierung bieten können:

Wie kann die Software zuverlässig angepasst werden? Grundlage dafür ist eine gut dokumentierte Steuerungssoftware, sowie vollständig und fehlerfrei dokumentierte Prozesse und Schnittstellen zwischen den Steuerungen und überlagerten Systemen. Dies ist bei den meisten Lagern eher nicht gegeben. Es muss die Steuerungssoftware sowie die Kommunikation zwischen allen Systemen reengineered und vollständig dokumentiert werden.

Wie muss die künftige Schnittstelle zwischen SAP EWM und den SPSen aussehen? Dies ist abhängig vom vorhandenen Modell A bis D. Die neue Schnittstelle muss basierend auf den Ergebnisses des Re-Engineerings designt werden. Der benötigte Aufwand sinkt von Model A bis D.

Wie kann später die Instandhaltung erkennen, warum ein Ladungsträger nicht weiter fährt? Die Ursache kann an SAP EWM oder an der Fördertechnik liegen. Um das leichter erkennbar zu machen, lassen sich verschiedenfarbige Symbolen bei den Dialogpunkten im Scada-Systemvergeben. Ein solcher Dialogpunkt ist etwa ein Verzweigungspunkt an der Fördertechnik. Die Fördertechnik sendet ein Telegramm zur Zielanfrage an SAP EWM, das SAP-Symbol wird blau dargestellt. Bei eingehender Antwort wird das SAP-Symbol grün. Kommt keine Antwort in der festgelegten Zeit, sollte das SAP-Symbol rot werden.

Wie sieht die Schnittstellendiagnose zwischen den SPSen und SAP aus? Eine Reaktionszeitmessung muss den Telegrammaustausch mit dem SAP-System überwachen. Bei Störungen soll das Scada-System eine Meldung ausgeben. Es ist hilfreich, wenn es mindestens die letzten 20 Telegramme chronologisch auflistet. Für die spätere Aufarbeitung von Störungen ist zudem die Einrichtung eines Loggers sinnvoll, der alle ausgetauschten Telegramme zwischen den Steuerungen und der SAP-Software für mindestens vier Wochen aufzeichnet.

Wie sollten Bedienoberflächen gestaltet sein? Das Scada-System muss auf jeden Fall angepasst oder sogar vollständig neu erstellt werden. Es ist darauf zu achen, dass ein neu eingeführtes Scada-System von Grund auf in einem Webbrowser abläuft. Dies reduziert im Regelfall den Installations- und Pflegeaufwand und somit die Kosten.

Zeitrahmen für die Umsetzung

Je nach Anlagenmodell A bis D kann der Zeitplan für die Migrationsdurchführung etwa folgendermaßen aussehen:

Vorbereitungsphase – Pflichtenheft und Reengineering dauern 2 Monate,

Durchführungsphase – Engineering und Inhouse-Tests brauchen 3 bis 4 Monate,

Integrationsphase – die Integrationstests mit SAP Testsystem nehmen 1 bis 2 Monate Zeit in Anspruch,

finale Phase – Go-live und Hypercare dauern einen weiten Monat.

Erfahrungsgemäß dauern solche Projekte also 6 bis 9 Monate.

Geeignete Dienstleister

Bei der Wahl eines Dienstleisters sollten Produktionsunternehmen darauf achten, einen mit viel Erfahrung in den Bereichen Softwarearchitektur und -entwicklung sowie SPS-SAP-basierter Kommunikation auszuwählen. Stellt er qualifiziertes Personal für ein Brownfield-Projekt bereit, das deutlich komplexer als ein Greenfield-Projekt ist? Unternehmen sollten sich Referenzen geben lassen und mit deren Projektleitern sprechen. Produzenten sollten keine Abstriche bei der Robustheit des späteren Anlagenbetriebs und der Echtzeit-Diagnose der SAP-Schnittstelle machen. Denn eine bestehende Anlage so umzubauen, dass sie zuverlässig und robust mit SAP EWM MFS zusammenarbeitet, ist keine Kleinigkeit. Wenn dabei die Hardware modernisiert und die Software vollständig neu erstellt werden soll, ist das schon mehr als Retrofit denn als reine Migration nach SAP EWM zu begreifen. Dann müssen Unternehmen das Projekt ganz anders angehen.

Autor: Jürgen Kohl, Geschäftsführer, Artschwager und Kohl Software GmbH







  • KI in Fertigungsbranche vorn

    Die neunte Ausgabe von Rockwell Automations „State of Smart Manufacturing“ Report liefert Einblicke in Trends und Herausforderungen für Hersteller. Dazu wurden über 1.500 Fertigungsunternehmen befragt, knapp 100 der befragten Unternehmen…


  • MES-Integrator und 360-Grad-Partner für optimierte Fertigung

    Das Manufacturing Execution System (MES) HYDRA optimiert Produktionsprozesse für Fertigungsunternehmen, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen.


  • Achema 2024 mit Angeboten für Nachwuchskräfte

    Im Mittelpunkt des Achema-Auftakts am 10. Juni steht die Frage, wie sich die Prozessindustrie in einer Welt im Wandel erfolgreich positionieren kann. An allen fünf Messetagen sollen zudem zahlreiche Angebote…


  • Baustart für neues MPDV-Gebäude in Mosbach

    Am Unternehmenssitz in Mosbach errichtet MPDV ein neues Bürogebäude. Auf 2.800m² sollen 170 Arbeitsplätze entstehen. Zudem wird die MPDV-Junior-Akademie dort Räumlichkeiten beziehen.


  • Valantic und Forcam Enisco vereinbaren strategische Partnerschaft

    Das Beratungs- und Software-Haus Valantic und der Softwarespezialist Forcam Enisco mit Sitz in Böblingen haben eine strategische Partnerschaft geschlossen. Schwerpunkt der Kooperation soll auf Vernetzungs- und Analyse-Produkten für Fertiger liegen.