Kommentar von Inriver-CEO Niels Stenfeldt

Mit digitalem Produktpass zu mehr Kreislaufwirtschaft

Weniger Neuware und Abfälle, eine geringere Umweltbelastung, mehr Transparenz und Nachhaltigkeit: Der digitale Produktpass (DPP) kommt. Zwar stehen noch nicht alle Rahmenbedingungen, doch es gilt, sich vorzubereiten. Niels Stenfeldt, CEO von Inriver, erklärt, was auf Unternehmen zukommt.

 (Bild: Inriver AB)
(Bild: Inriver AB)

Der klassische Lebenszyklus eines Produktes verlief lange Zeit linear: herstellen, konsumieren, wegschmeißen. Das ist das Gegenteil einer nachhaltigen Produktwirtschaft. Deshalb haben die EU-Staaten im Frühjahr 2023 die Einführung des digitalen Produktpasses (DPP) beschlossen. Ziel ist es, die Linearität durch eine Kreislaufwirtschaft zu ersetzen, Unternehmen mehr in die Verantwortung zu nehmen und dadurch die Grundlage für einen nachhaltigeren Produktlebenszyklus zu schaffen. Sowohl Produktdesign und -herstellung inklusive der Rohstoffbeschaffung als auch Distribution, Vertrieb und Verkauf sollen dadurch ökonomischer werden. Darüber hinaus sieht das Konzept vor, Produkte, Einzelteile und Materialien durch Recycling und Reparaturen in den Kreislauf zurückzuführen, anstatt sie zu entsorgen.

Es gibt zahlreiche Beispiele für funktionierende Recycling-Prosessketten: Die Papier- und Teile der Kunststoffindustrie. Auch in der Automobilindustrie sind vom Austauschmotor, über runderneuerte Reifen bis zu Generatoren und Starter viele Teile bereits im Einsatz gewesen. Übergreifende Kennzeichnung könnten neue Impulse für Wiederverwendung und Recycling geben. (Bild: ©nordroden/stock.adobe.com)
Es gibt zahlreiche Beispiele für funktionierende Recycling-Prosessketten: Die Papier- und Teile der Kunststoffindustrie. Auch in der Automobilindustrie sind vom Austauschmotor, über runderneuerte Reifen bis zu Generatoren und Starter viele Teile bereits im Einsatz gewesen. Übergreifende Kennzeichnung könnten neue Impulse für Wiederverwendung und Recycling geben. (Bild: ©nordroden/stock.adobe.com)

Transparente Lieferketten

Sowohl die angestrebte Kreislaufwirtschaft als auch der DPP können die gewünschte Wirkung allerdings nur dann erzielen, wenn Unternehmen ihre (nachhaltigkeitsrelevante) Lieferketten- und Produktdaten vollständig und transparent offenlegen. Trotz des Beschlusses sind noch immer einige Fragen offen. Was hat es genau mit dem DPP auf sich? Welche Anforderungen gehen damit einher? Wer profitiert wie? Und was können oder sollten Unternehmen tun?

Nachhaltigkeitsrelevante Daten

Der DPP ist eine Sammlung von nachhaltigkeitsrelevanten Daten, die jedes Mitglied einer Lieferkette standardisieren und laufend aktualisieren muss, sodass sie für Rohstoffkonzerne, Fertigungsbetriebe, die vertreibenden Brand sowie für Endverbraucher und Aufsichtsbehörden zugänglich sind. Jedes Produkt erhält ein scannbares Element wie einen QR-Code oder einen NFC-Chip, über den Unternehmen, Konsumenten und Prüfer sämtliche Produktinformationen einsehen können. Darüber hinaus betrifft der DPP auch Unternehmen jenseits der EU-Grenzen, denn auch sie, müssen für den EU-Markt den DPP-Vorgaben entsprechen.

Was sind die Anforderungen?

Allerdings steht derzeit noch nicht fest, welche Informationen Unternehmen zur Verfügung stellen müssen. An diesen Anforderungen wird derzeit gearbeitet. Es liegt nahe, dass jene Informationen, die potenziell einen Einfluss auf Nachhaltigkeit und Umweltbelastung haben können, im Mittelpunkt stehen werden – wie etwa Herkunft der Rohstoffe, verwendete Materialien und chemische Zusammensetzung, Fertigungsort, Emissionsausstoß während der Herstellung und des Transports sowie Recyclingfähigkeit und Reparierbarkeit.

Relevanz für Kaufentscheidungen?

Da diese Informationen für alle zugänglich sein sollen, entsteht ein hoher Grad an Transparenz und Nachvollziehbarkeit, woraus wiederum einige Effekte resultieren. So erhalten Hersteller und Zulieferer eine Übersicht über den Weg, den ein Produkt innerhalb der Lieferkette genommen hat, was im Anbetracht des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes eine wichtige Rolle spielt. Aufsichtsbehörden können anhand standardisierter Daten ihre Prüfungen durchführen. Reparatur- und Recyclingservices können erfahren, wie ein Produkt zusammengesetzt ist, was ihnen bei Demontage, Reparatur und/oder Wiederverwertung hilft. Und bei Endverbrauchern könnten Nachhaltigkeitsdaten verstärkt in die Kaufentscheidung und das allgemeine Konsumverhalten einfließen.

Softwareunterstützung

Unabhängig davon, wie die Anforderungen an die Daten für den DPP genau ausfallen: Vollständigkeit, Transparenz und Konsistenz sind für dieses Projekt essenziell – und zwar über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg. Eine Produktinformationsmanagement-Software (PIM) kann hier beispielsweise unterstützen. Damit lassen sich alle Produktdaten von Unternehmen einer Lieferkette in einer zentralen Single Source of Truth sammeln, ordnen und standardisieren. Andere Unternehmen können diese Informationen für Nachhaltigkeitsentscheidungen und Kommunikation nutzen. Verbraucher und Behörden verwenden sie für Kaufentscheidungen bzw. Prüfungen. Gleichzeitig erfahren Unternehmen, welche Lieferketten- und Produktdaten noch fehlen und können die Datenbank vervollständigen.

Wer macht den Anfang

Das Konzept des DPP steht zwar noch am Anfang, aber kommen wird er auf jeden Fall. Die EU sieht dafür einen schrittweisen Rollout in mehr als 30 Kategorien vor. Im Rahmen einer Testphase machen Industrie- und E-Auto-Batterien den Anfang, gefolgt vom Bekleidungsbereich. Auch wenn es bis zur flächendeckenden Einführung noch etwas hin ist, bedeutet das nicht, dass Fertigungsbetriebe bis zur letzten Minute abwarten sollten.