Was bedeutet die EU-Maschinenverordnung für Unternehmen?

Bild: TÜV Süd AG

Die Maschinenverordnung ist mit rund 300 Seiten deutlich umfangreicher als die mittlerweile 14 Jahre alte Richtlinie. Eine Revolution ist sie nicht. Die Anforderungen an die Maschinensicherheit bleiben im Kern die gleichen. Gleichwohl enthält die Verordnung zahlreiche Konkretisierungen und neue Definitionen. Das fängt bereits an mit der Liste der als Wirtschaftsakteure bezeichneten Betroffenen: Ausdrücklich genannt sind Händler, Importeure und Bevollmächtigte. Betreiber sind jedoch indirekt eingeschlossen, weil sie rechtlich zu Händlern werden, wenn sie Gebrauchtmaschinen weiterverkaufen. Dieser Logik folgend umfasst die neue Verordnung die gesamte Lieferkette.

Der Begriff Wirtschaftsakteure zeigt, dass die MVO dem Konzept des New Legislative Framework (NLF) folgt. Damit vereinheitlicht die EU Standards, z.B. die Vorgaben für Konformitätsbewertungen, die Akkreditierung von Prüforganisationen oder die Marktüberwachung.

Von der digitalen Betriebsanleitung bis zur KI

Die fortschreitende Automatisierung und Vernetzung haben neue Sicherheitsrisiken geschaffen. Diese wurden bislang durch die MRL nicht ausdrücklich erfasst. Deshalb ist das Thema Digitalisierung die entscheidende inhaltliche Neuerung der MVO. Sie erlaubt künftig, Dokumente wie Betriebsanleitungen oder Konformitätserklärungen online bereitzustellen. Vorausgesetzt wird ein Hinweis auf dem Produkt selbst oder in den ausgedruckten Begleitunterlagen, wo die digitalen Unterlagen zu finden sind. Die Dokumente müssen von jedem Endgerät zugänglich und druckbar sein, sowie mindestens 10 Jahre vorgehalten werden. Zudem muss den zuständigen Behörden auf Nachfrage eine ausgedruckte Version der Unterlagen ausgehändigt werden.

Der Einsatz künstlicher Intelligenz muss fortan in der Risikobewertung berücksichtigt werden. So werden Risiken adressiert, die überhaupt erst durch KI-Systeme entstehen. Betroffen davon sind sogenannte autonome bzw. hochautomatisierte Maschinen. KI-Systeme, die Sicherheitsfunktionen steuern, sowie Maschinen, in die solche Systeme integriert sind, sind mit höheren Betriebsrisiken verbunden. Für diese in Anhang I Teil A und Teil B der MVO gelistete Produktklasse gelten besondere Anforderungen an das Konformitätsbewertungsverfahren: Insbesondere für Produkte, die im Teil A zu finden sind, ist eine Benannte Stelle hinzuzuziehen, eine interne Fertigungskontrolle genügt nicht. Hersteller autonomer Maschinen müssen in die Risikobewertung auch jene Risiken einfließen lassen, die sich erst nach dem Inverkehrbringen aus dem autonomen, also KI-gestützten Einsatz ergeben.

Berücksichtigt Cybersicherheit

Neben KI-gestützten Maschinen(-teilen) wie Industrierobotern gehören auch Fahrzeughebebühnen zu dieser Gruppe. Die Liste ist nicht abschließend. Die Europäische Kommission kann den Anhang I mittels Rechtsakten immer wieder dem Stand der Technik anpassen. Ein höheres Betriebsrisiko geht in der Regel mit einer aufwändigeren Konformitätsbewertung einher. Unter Umständen muss auch eine Benannte Stelle hinzugezogen werden. Diese Fälle sind in Anhang I Teil A beschrieben, oder auch im Teil B, sofern keine harmonisierte Produktnorm existiert.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Digitalisierung ist die Cybersecurity. Die MVO geht insofern darauf ein, als dass sie ausdrücklich die Korrumpierungssicherheit gegen Online-Zugriffe fordert. Hersteller müssen also Maßnahmen ergreifen, die verhindern, dass die Verbindung mit externen Datenträgern oder internetbasierten Fernsteuerungen zu gefährlichen Situationen führt. Die Regelungen sind Teil der Cyberstrategie der EU.

Einheitlich und verbindlich

Die Verordnung legt einheitlich fest, wann eine Veränderung an einer Maschine wesentlich ist. Die wesentliche Veränderung bzw. Modifikation macht die Maschine rechtlich zum Neuprodukt, das heißt der Betreiber bzw. Inverkehrbringer muss auch eine neue Konformitätserklärung erstellen. Wesentlich ist eine Veränderung dann, wenn dadurch neue Gefährdungen entstehen oder bereits vorhandene Risiken derart erhöht werden, dass neue Schutzmaßnahmen oder mechanische Maßnahmen betreffend die Standsicherheit nötig werden.

Hersteller von Einzel- oder Kleinserienprodukten sowie Händler von Gebrauchtmaschinen profitieren künftig von einem neuen Modul zur Einzelprüfung. Bei Steuerungen gelten strengere Regeln in puncto Sicherheit, Zuverlässigkeit und Gesundheitsschutz – insbesondere im Bereich autonomer Maschinen.

Neben dem großen Themenfeld der Digitalisierung bringt die MVO vor allem Vereinheitlichungen und Präzisierungen. Die Wirtschaftsakteure müssen sich zudem an eine neue Struktur gewöhnen. In den meisten Fällen sollte die Übergangszeit von 42 Monaten dafür ausreichen. Für die Anpassung der harmonisierten Normen und technischen Regeln hingegen wird die Frist unter Umständen knapp. Hier sind die betroffenen Organisationen gefordert, möglichst schnell alle Bestimmungen zu aktualisieren, die bislang auf die MRL ausgerichtet waren.

Schlägt nationale Bestimmungen

Mittels des New Legislative Framework verfolgt die EU einheitliche Begriffe und Definitionen sowie Vorgaben für die Sicherheit mit Gesetzesrang. Dieses Bestreben hat sie nun auf Maschinen ausgedehnt. Der Status als EU-Verordnung bedeutet auch, dass die Regeln nicht durch die Mitgliedstaaten in nationale Gesetze überführt werden müssen. Die MVO ist selbst ein verbindlicher Rechtsakt und steht über möglicherweise abweichenden nationalen Bestimmungen.

Ab dem 20. Januar 2027 gilt die Verordnung. Betroffene sollten sich mit den neuen Anforderungen auseinanderzusetzen und dementsprechend auch ihre eigenen Standards anpassen. Insbesondere in der Übergangsphase, wenn Auslegungen untergeordneter Bestimmungen möglicherweise noch nicht ganz klar sind, können Fachleute helfen. Bei Fragen etwa zur Konformitätsbewertung können auch die Benannten Stellen Auskunft geben.

Schulungen zur Maschinenverordnung

Die TÜV Süd Akademie bietet verschiedene Schulungen zur MVO an. Themen sind z.B. die Risikobeurteilung, die Betriebsanleitung und technische Dokumentation sowie die Konformitätsbewertung und CE-Kennzeichnung. Teilnehmende lernen, die Verordnung pragmatisch und schutzzielorientiert anzuwenden. Zielgruppe der eintägigen Veranstaltungen sind Konstrukteure, Entwicklungsverantwortliche, Projektleiter, Geschäftsführer, Importeure und Händler, Verantwortliche für Betrieb, Wartung und Instandhaltung, Vertriebler und Einkäufer, technische Redakteure sowie Sicherheitsbeauftragte.







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