Auf Entwicklungsingenieuren lastet der Druck, sich schnell auf Veränderungen anzupassen. Bild: PTC

‚Besser, schneller, billiger‘

Die Software in den Erzeugnissen erfordert signifikante Veränderungen an Prozessen und Tools, die während des Produktlebenszyklus zum Einsatz kommen, einschließlich technischer Entwicklung, Fertigung und Service. Zudem setzt das Motto ‚besser, schneller, billiger‘ die Unternehmen unter Druck, ihre Methoden der Produktentstehung zu verbessern. Hinzu kommt die Belastung durch wachsende Haftungsvorschriften und Behördenauflagen. Sind nur beschränkte Möglichkeiten verfügbar, die damit zusammenhängenden Risiken zu kontrollieren, kann das katastrophale Folgen haben. Um das zu vermeiden, sollten sämtliche Geschäftsabläufe im Produktlebenszyklus überdacht werden. Eine Hilfe ist, dass Änderungen, die zur Bewältigung solcher Herausforderungen notwendig sind, nahezu identisch sind mit jenen, die für ‚bessere, schnellere und billigere‘ Produkte erforderlich sind. Allerdings müssen gemeinsame Änderungen mit größter Sorgfalt umgesetzt werden, um den doppelten Vorteil zu erzielen. Jüngste technologische Fortschritte in herstellungsrelevanten Bereichen wie Materialkunde und Nanotechnologie, Sensoren und Wireless-Technologie wirken sich tiefgreifend auf Unternehmen und Systemingenieure aus. Diese Fortschritte machen fundamentale Produktinnovationen in hohem Tempo möglich, und jeder einzelne Fortschritt kann die Anpassung der Praktiken, Methoden und Werkzeuge in allen Bereichen der Entwicklung fordern. Diese Änderungen können wieder Anpassungen in verwandten Disziplinen nach sich ziehen. Daher lastet enormer Druck auf Systemingenieuren, sich schnell und effektiv an technologische Veränderungen anzupassen.

Teams arbeiten voneinander isoliert

Die meisten Entwicklungsorganisationen arbeiten noch nach dem klassischen Modell, bei dem Teams nach verschiedenen Fachbereichen getrennt werden und vorwiegend in ihrem isolierten Tätigkeitssilo arbeiten. Systemingenieure übergeben Subsystem-, Komponenten- und Schnittstellenspezifikationen einfach ‚über den Zaun‘ an Maschinenbau-, Elektronik- und Softwareteams. Diese Teams arbeiten dann oft getrennt voneinander an den jeweiligen Entwürfen und Codezeilen. Die Integration und Prüfung auf Systemebene erfolgen erst spät im Entwicklungszyklus. Treten Probleme auf, können teure Nacharbeit in einer späten Entwicklungsphase sowie zeitaufwendige Prüf- und Korrekturzyklen anfallen. Das klassische Prinzip ‚teilen und herrschen‘ ist diesen Herausforderungen, die sich ja gerade dadurch auszeichnen, dass sie ganzheitlicher Natur sind, meist nicht gewachsen. Klassische Wasserfallmodelle des Systems Engineering stoßen oft an Grenzen, wenn es darum geht, Risiken früh zu erkennen. Die Folgen reichen bis zu Kostenüberschreitungen und verzögerten Markteinführungen. Hilfe bei der Bewältigung dieser Herausforderung versprechen interdsziplinäre, iterative Systems Engineering-Ansätze für die Produktkonstruktion. Zu den Zielen dabei zählt, Informationslücken bereits in den ersten Schritten im Lebenszyklus nach und nach schließen. Eine Einteilung von Entwicklungsteams nach Fachbereich ergibt vor diesem Hintergrund keinen Sinn, stattdessen sollten Unternehmen kleine, interdisziplinäre Teams aufbauen, in denen alle wichtigen Disziplinen vertreten sind. Diese bereichsübergreifende Zusammenarbeit lässt sich mit schlanken, iterativen Prozessen und Collaboration-Technologien unterstützen. Hier kommt es auch darauf an, zentrale Prozesse wie Konfigurationsmanagement und Änderungs- oder Fehlermanagement zu integrieren und sowohl Hardware als auch Software in die Entwicklung einzubeziehen.



Autor Derek Piette, Director Systems Engineering bei PTC.

Ganzheitlicher Ansatz ist gefragt

Die Komplexität intelligenter Produkte verlangt geradezu nach einem ganzheitlichen Ansatz für das Product Lifecycle Management, beginnend bei der Aufnahme der Anforderungen an das neue Produkt bis hin zur Außerbetriebnahme. Darüber hinaus bedeutet der Paradigmenwechsel vom Produkt als der primären Einkommensquelle hin zu ‚Servitization‘, dass Systemingenieure sich nicht nur verstärkt auf den Serviceabschnitt des Produktlebenszyklus konzentrieren, sondern den Lebenszyklus insgesamt neu betrachten müssen. Der Prozess der Anforderungsvalidierung sollte geändert werden, denn die Systemanforderungen müssen viel früher und sorgfältiger im Produktentwicklungszyklus validiert werden. Dazu sollte eine Vielzahl von Methoden und Tools miteinander kombiniert werden. Insbesondere müssen Modellierung und Simulation eine neue Rolle beim Systems Engineering übernehmen. Die komplexe Natur intelligenter Produkte und Systeme bewirkt einen Trend zur Verwendung von Modellen. Das sogenannte ‚Model-based Systems Engineering‘ (MBSE) bildet in Verbindung mit Systemsimulationssprachen eine integrale Möglichkeit, alle Aspekte von Systemanforderungen und -architektur in einem einzigen Modell zu validieren.

Dieser Übergang könnte das gesamte Systems Engineering transformieren. Systemingenieure könnten bald in der Lage sein, Anforderungsmodelle nahtlos und automatisch in Systemarchitekturmodelle und diese wiederum in High Level-Hardware- und -Softwareentwurfsmodelle umzuwandeln. Systemmodelle dürften zunehmend dazu eingesetzt werden, Verhaltens-, algorithmische und parametrische Simulationen durchzuführen. Sie ermöglichen eine schnellere Validierung von Produktanforderungen, Systemkonzept und Systemanforderungen mit weniger Missverständnissen. Allerdings müssen sie während des gesamten Lebenszyklus überwacht werden. Änderungs- und Konfigurationsmanagement, Verfolgbarkeit und systematische Wiederverwendung sind Konzepte aus dem Lebenszyklusmanagement, die konsequent auf Modelle angewendet werden sollten. Systems Engineering und Softwareentwicklung haben viele Ähnlichkeiten. Diese Nähe zwischen Systems Engineering und Softwareentwicklung beruht auf der Tatsache, dass Software in nahezu jeder Facette wie ein System behandelt werden kann: Architektur, Entwurf, Modellierung, Simulation, Entwicklung, Tests et cetera. Daher nimmt mit der steigenden Bedeutung von Software in Produkten die hohe Korrelation zwischen Systems Engineering- und Softwareentwicklungsmethoden zu und bewirkt, dass System- und Softwareentwickler ihre Methoden und Tools austauschen und anpassen.