Computational Fluid Dynamics

Strömungssimulation in der Cloud

Das Ingenieurbüro InduSim simuliert mit Scflow von Hexagon den Frischwasser-Austausch in einem Edelstahl-Schwimmbecken der Firma Zeller Bäderbau. Wegen des hohen numerischen Aufwandes wird das Projekt nicht lokal, sondern in der Cloud ausgeführt – auf satten 384 CPU-Kernen.

 CAD-Modell des Schwimm­­beckens 15x25x2m mit drei Frischwasser-Kanälen und je 20 Frischwasserdüsen. (Bild: Hexagon AB)
CAD-Modell des Schwimm­­beckens 15x25x2m mit drei Frischwasser-Kanälen und je 20 Frischwasserdüsen. (Bild: Hexagon AB)

Das Wasser in öffentlichen Schwimmbädern muss kontinuierlich mit aufbereitetem Frischwasser ausgetauscht werden. Dieses wird dem Schwimmbecken über drei Kanäle, versehen mit jeweils 20 Düsen, zugeführt (siehe Abbildung 1.1). Das gebrauchte Wasser schwappt über den Beckenrand und wird in die Aufbereitungsanlage zurückgeleitet. Der Nachweis über den ausreichenden Frischwasseraustausch wird mit gängigen Verfahren erst nach der Fertigstellung und der Befüllung des Beckens mit eingefärbtem Wasser erbracht. Dabei wird einerseits visuell beobachtet und gleichzeitig mit der Stoppuhr gemessen, wie lange es dauert, bis sich eine Verfärbung des Wassers im gesamten Becken ergeben hat – soweit das menschliche Auge es wahrnehmen kann. Weil dieser Test erst ganz am Ende des Projektes durchgeführt werden kann und bei Nichtbestehen Änderungen extrem aufwendig und teuer sind, wird in der Planung mit hohen Sicherheitszuschlägen bei der Auslegung der Aufbereitung gearbeitet, was die Erstellungs- und vor allem die Betriebskosten deutlich erhöht.

Simulation senkt Kosten

Deshalb soll mit Hilfe einer CFD-Simulation bereits während der Planung der Wasseraustausch untersucht werden, bevor dieser später in der Praxis belegt wird. Der Einsatz von CFD (Computational Fluid Dynamics) galt bisher für eine solche Aufgabenstellung als unpraktikabel: Zum einen erfordern die engen Düsen in der Frischwasserzuführung ein feines Netz, was zu sehr großen Ergebnisfiles führt. Zum anderen benötigt die langsame Fließgeschwindigkeiten der Düsen eine lange Simulationszeit. Diese beiden Anforderungen übersteigen die Rechenkapazität eines modernen Berechnungscomputers mit den üblichen acht bis sechzehn Kernen bei weitem und führen zu Antwortzeiten bis zu einer Woche pro Rechenlauf. Zudem ist für die Optimierung des Gesamtsystems während der Planung und für die weitere Entwicklung der Effizienz der Frischwasserverteilung im Becken eine Vielzahl an Rechenläufen notwendig. Eine Lösung für dieses Problem ist die Verwendung von Cloud Computing. Für dieses Projekt wurde ein Maximum von 1.500 Kernen auf der AWS-Cloud freigeschaltet, allerdings wurden lediglich maximal 384 Kerne genutzt. Die reine Rechenzeit sinkt auf wenige Minuten. Zusammen mit den Zeiten für Up- und Downloads können mehrere Berechnungen pro Arbeitstag angestellt werden.

CFD in der AWS-Cloud rechnen

Als Solver wird Scflow aus der Produktgruppe Cradle CFD von Hexagon eingesetzt. Neben seinen Möglichkeiten zur Vernetzung gilt der Solver als schnell, robust und exakt. Zudem kommt er gut mit der parallelen Berechnung auf vielen Kernen zurecht.

Aufbau des Simulationsmodells

Der Aufwand für die detaillierte Modellerstellung des Schwimmbeckens mit Düsen und Kanälen ist auch für die Cloud zu hoch. Für eine gute Ergebnisqualität müssen die Düsen entsprechend fein vernetzt werden (teils weniger als 0,1mm). Verwendet man diese Feinheit für alle 20 Düsen, würde die Anzahl der Zellen auf über eine Milliarde Elemente steigen. Die Größe der Ergebnisfiles würde im Bereich von Terabytes liegen und das Modell wäre für das lokale Pre- und Postprocessing nicht mehr zu handhaben. Deshalb werden Vormodelle entwickelt, deren Ergebnisse im Gesamtmodell (zum Teil abstrahiert) sehr gut verwendet werden können. Außerdem werden – quasi ohne Einschränkung der Ergebnisqualität – freie Oberflächen nicht berücksichtigt. Das Modell hat im Bereich der Überlaufrinne Auslässe als Randbedingung definiert.

15 Minuten Simulationsdauer

In allen Modellen wird das Strömungsfeld in einem ersten Schritt stationär berechnet. Anschließend wird die Ausbreitung der Frischwasser-Konzentration entlang dieser Strömungslinien transient über einen Zeitraum von insgesamt 15 Minuten simuliert. In Abbildung 2 ist das wesentliche Ergebnis dargestellt: Innerhalb von zehn Minuten erreicht das Frischwasser alle Positionen im Becken – zwar in unterschiedlichen, aber immer ausreichenden Konzentrationen. Weiterhin können noch viele weitere, wichtige Ergebnisse abgerufen werden, z.B. die Strömungslinien und Geschwindigkeiten im Pool. Daraus können Erkenntnisse zur Optimierung der Düsen- und Kanalgestaltung sowie der Düsenpositionen gewonnen werden und dadurch der Gesamtaufwand der Frischwasseraufbereitung reduziert werden, bei gleichbleibender oder sogar verbesserter Frischwasserqualität.

Konzentration Frischwasserverteilung nach zehn Minuten: Überall ist bereits Frischwasser vorhanden. (Bild: Hexagon AB)
Konzentration Frischwasserverteilung nach zehn Minuten: Überall ist bereits Frischwasser vorhanden. (Bild: Hexagon AB)

Struktur und Bedienung

Die Bedienung der Cloud-Simulation verläuft wie folgt: Mit der Anmeldung in der Cloud erhält der Benutzer einen eigenen, privaten Zugang. Damit eine Rechnung gestartet werden kann, muss ein Cluster (eine Gruppe von verknüpften Rechnern und Servern) gebildet werden. Das Cluster wird bei jeder Berechnung neu eingerichtet. Das kann automatisiert erfolgen. Um Kosten zu sparen, wird es nach der Berechnung (automatisiert) wieder geschlossen. Der Head Node führt selbst keine Berechnungen durch, sondern verteilt die Aufgaben an die Compute Nodes. welche die Aufgabe gemeinsam abarbeiten. Außerdem startet und beendet der Head Node die Compute Nodes nach der Beendigung der Berechnung.

Workflow und Datenübertragung

Das Simulationsmodell sowie das Rechennetz werden wie gewohnt auf einem lokalen Rechner erstellt. Das Netz und die Solver-Input-Daten werden in eine zip-Datei komprimiert und auf ein Amazon S3 Bucket hochgeladen. Das Hochladen von einem Gigabyte Daten dauert je nach Internetverbindung rund 30 Minuten. Zuerst muss das Cluster mit Head Nodes und Compute Nodes vollständig gestartet werden, was etwa zehn Minuten dauert. Nach dem Aufschalten auf den Head Node werden die Modelldaten aus dem Bucket-Speicherbereich in ein Verzeichnis auf dem Head Node kopiert und entpackt. Dann wird der Job an die Compute Nodes abgeschickt, der Lösungsprozess beginnt. Nachdem der Solver die Berechnung beendet hat, können die Ergebnisse auf einen lokalen Rechner geladen werden. Zwar gäbe es die Möglichkeit, die Ergebnisse direkt in der Amazon Cloud auszuwerten, dabei fallen jedoch zusätzliche Kosten an. Die Ergebnisdaten sind im Falle der transienten Analyse der Frischwasserkonzentration des gesamten Pools insgesamt ca. 150 Gigabyte groß. Sie sind auf einem lokalen Rechner mit acht Kernen und 128 Gigabyte Arbeitsspeicher noch gut handhabbar.

Schnitt durch Frischwasserdüse mit dünnem Spalt (Bild: Hexagon AB)
Schnitt durch Frischwasserdüse mit dünnem Spalt (Bild: Hexagon AB)

Cloud oder lokal?

Die Lösungszeit großer Modelle reduziert sich in der Cloud drastisch und macht – wie in diesem Beispiel – eine Simulation überhaupt erst wirtschaftlich möglich. Allerdings sind zusätzliche Arbeiten für die Vorbereitung notwendig und es entstehen Kosten. Doch die gewonnenen Erkenntnisse aus der Simulation sind für Zeller Bäderbau nicht nur für dieses Projekt hilfreich, sondern auch für weitere Projekte. Denn im Ergebnis zeigen sie, wie mit deutlich weniger Frischwasser ein gleichmäßiger Austausch im Becken erreicht werden kann.