Förderung durch Geothermiebohrungen analysiert

Lithium aus der Erde spülen

Mit bestehenden Geothermiebohrungen im Oberrheingraben könnte zuverlässig Lithium gefördert werden. Das zeigen aktuelle Datenanalysen von Forschenden des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Frisches Tiefenwasser sorgt über mehrere Jahrzehnte für Nachschub.

Ausbreitung des Lithium-abgereicherten Thermalwassers um die Injektionsbohrung entlang der Störungszone nach 30 Jahren – (Bild: Valentin Goldberg und Fabian Nitschke)

Auf dem Weg zur Klimaneutralität braucht Europa viel Lithium für Batteriespeicher – es produziert bislang aber nur ein Prozent der weltweiten Fördermenge. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des KIT untersuchen deshalb Möglichkeiten, Lithium aus geothermischen Quellen zu gewinnen. „Theoretisch könnten bestehende Geothermiekraftwerke im Oberrheingraben und im Norddeutschen Becken zwischen zwei und zwölf Prozent des jährlichen Lithiumbedarfs in Deutschland decken“, sagt Valentin Goldberg vom Institut für Angewandte Geowissenschaften (AGW) des KIT, der dieses Potenzial gemeinsam mit einem Team auf Basis einer Datenanalyse berechnet hat. Unklar war bislang allerdings, wie lange eine Förderung möglich ist. Nach einer weiteren Studie geben die Forschenden nun einen optimistischen Ausblick: „Nach unseren Erkenntnissen ist ein Abbau mit geringen Umweltkosten über viele Jahre möglich“, sagt Goldberg. „Das für die Studie entwickelte Modell beschreibt eine mögliche Lithiumförderung im Oberrheingraben, die Parameter sind aber so gewählt, dass sie sich auch auf andere Kluftsysteme übertragen lassen.“

Lithium ist in Wasser gelöst

Die Förderung von Lithium aus Thermalwässern ist keine herkömmliche Form des Bergbaus, weshalb bei der Analyse auch nicht auf die dabei üblichen Methoden zurückgegriffen werden konnte. „Das im Wasser gelöste Lithium kommt in einem weitverzweigten Netzwerk aus Klüften und Hohlräumen im Gestein vor. Es ist aber nur punktuell über einzelne Bohrungen zugänglich“, erklärt Dr. Fabian Nitschke vom AGW, der ebenfalls an der Forschung beteiligt war. „Die Größe des Reservoirs hängt daher von der Wassermenge ab, die über die Bohrungen hydraulisch erschlossen werden kann.“

Modellierung geothermaler Lithiumproduktion

Um das Potenzial der Lithiumproduktion zu berechnen, mussten die Forschenden berücksichtigen, wie viel Wasser gefördert werden kann, welche Menge an Lithium dieses Wasser enthält und wie viel davon pro Zeiteinheit extrahiert werden kann. „Wir nutzen dafür eine dynamische Transportmodellierung, angelehnt an die Untergrundverhältnisse des Oberrheingrabens, bei der wir thermische, hydraulische und chemische Prozesse gekoppelt betrachten. Ähnliche Modelle sind bereits aus der Öl- und Gasindustrie bekannt, wurden aber bisher noch nicht auf Lithium angewendet“, sagt Nitschke.

Nachschub im frischen Tiefenwasser

Da bei der Geothermie das geförderte Wasser nach der Nutzung über eine zweite Bohrung wieder in den Untergrund zurückgeführt wird, stellte sich den Forschenden die Frage, ob der Lithiumgehalt des Tiefenwassers mit der Zeit abnimmt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Lithiumkonzentration in der Förderbohrung im ersten Drittel des Betrachtungszeitraums von 30 Jahren durch Verdünnung mit dem zurückgeführten Wasser zwischen 30 und 50 Prozent abnimmt. Danach nähert sie sich aber einem konstanten Wert an. „Das ist auf das offene Kluftsystem zurückzuführen, das kontinuierlich frisches Tiefenwasser aus anderen Richtungen nachliefert“, sagt Nitschke. Basierend auf den Modellannahmen scheint eine kontinuierliche Lithiumförderung über Jahrzehnte möglich: „Im Grunde zeigt der Abbau dieser unkonventionellen Ressource einen klassischen Lagerstättenzyklus. Auch bei der Kohlenwasserstoffförderung oder im Erzbergbau ist die Ausbeute am Anfang am höchsten und nimmt dann allmählich ab.“

Investition in die Zukunft

Für Thomas Kohl vom AGW, der die Forschung als Professor für Geothermie und Reservoir-Technologie am KIT leitet, sind die Forschungsergebnisse ein weiteres Argument für einen breiten Ausbau der Geothermie: „Wir wussten bereits, dass die Geothermie uns über Jahrzehnte grundlastfähige, erneuerbare Energie liefern kann. Unsere Studie zeigt nun, dass ein einziges Kraftwerk im Oberrheingraben zusätzlich bis zu drei Prozent des jährlichen deutschen Lithiumbedarfs decken könnte.“ Auch an Lösungen zur praktischen Umsetzung arbeitet seine Forschungsgruppe. So stellte sie jüngst eine Studie in der Fachzeitschrift Desalination vor, in der sie eine unter realen Bedingungen getestete Thermalwasservorbehandlung für die Rohstoffextraktion demonstrierte. „Im nächsten Schritt muss nun die Skalierung der Technologie auf einen industriellen Maßstab erfolgen“, sagt Kohl.

Originalpublikationen

Goldberg, V.; Dashti, A.; Egert, R.; Benny, B.; Kohl, T.; Nitschke, F.: Challenges and Opportunities for Lithium Extraction from Geothermal Systems in Germany – Part 3: The Return of the Extraction Brine. Energies, 2023. DOI: 10.3390/en16165899

https://doi.org/10.3390/en16165899

Karlsruher Institut für Technologie






  • Innovationstreiber Thin[gk]athon: Kollaborative Intelligenz trifft auf Industrie-Expertise

    Der Thin[gk]athon, veranstaltet vom Smart Systems Hub, vereint kollaborative Intelligenz und Industrie-Expertise, um in einem dreitägigen Hackathon innovative Lösungsansätze für komplexe Fragestellungen…


  • Ähnlichkeit erkannt, Kosten reduziert

    In der Variantenfertigung können Medien- und Systembrüche sowie Prozesse ohne digitales Abbild schnell zu Fehlern und Fehleinschätzungen führen. Wer die Daten hingegen…


  • Prozessoptimierung in der anspruchsvollen Montage

    Das Familienunternehmen Fimab aus Neubulach im Nordschwarzwald setzt bei der Prozessoptimierung auf die Webanwendung Newdrive Analytics. Entwickelt wurde das Tool von einem…


  • Was Assistenzsystemen oft im Weg steht

    Mit digitaler Werkerassistenz unterstützen Hersteller die Montageprozesse bei kleineren Losgrößen. Dabei sehen sich Unternehmen bei der Integration solcher Systeme oft mit Herausforderungen…


  • IT-Modernisierung als Softwareprojekt

    Softwarewechsel, alte Hardware und fehlende Skalierbarkeit – für die IT-Modernisierung gibt es viele Gründe. Wer umfassende Projekte dieser Art strategisch plant und…