Projekte aus dem Kompetenzzentrum Arbeitswelt.Plus

Wie künstliche Intelligenz Beschäftigte entlastet

Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus Ostwestfalen-Lippe entwickeln im vom Technologie-Netzwerk it’s OWL initiierten Kompetenzzentrum Arbeitswelt.Plus gemeinsam mit der IG Metall KI-Anwendungen, die die Beschäftigten entlasten sollen. Zwei Beispiele hat das Technologie-Netzwerk im Rahmen eines Pressegesprächs vorgestellt.

Bild: Herbert Kannegiesser GmbH
Bild: Herbert Kannegiesser GmbH

Wie wird künstliche Intelligenz die Arbeitswelt verändern? Wie können Unternehmen neue Technologien einsetzen, um ihre Beschäftigten zu entlasten und zudem ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern? Und wie können Beschäftigte auf den Wandel eigentlich vorbereitet werden? Antworten auf diese Fragen liefert das Kompetenzzentrum Arbeitswelt.Plus.

In acht Leuchtturmprojekten erproben Forschungseinrichtungen und Unternehmen im Verbund mit Gewerkschaftspartnern Anwendungen, die KI für unterschiedliche Anwendungsfelder verfügbar machen. Dabei geht es etwa um die Arbeitsplatzgestaltung, die Qualifizierung von Beschäftigten sowie den Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Produktion.

Der Badspezialist Bette hat in Zusammenarbeit mit der Hochschule Bielefeld, der Fachhochschule der Wirtschaft sowie der IG Metall ein KI-basiertes Assistenzsystem entwickelt. Die Problemstellung: Mehr als die Hälfte der Produkte bei Bette werden auf Kundenwunsch individualisiert. „Aufgrund der hohen Variantenvielfalt können wir über 35 Millionen unterschiedliche Produkte produzieren“, sagt Marvin Mönikes bei Bette. Seine Aufgabe ist es, die Prozesse der Produktionsplanung, -steuerung und -kontrolle zu optimieren.

Aufgrund der Produktvielfalt und dadurch, dass die Produktion darauf ausgerichtet ist, die Produkte in Stückzahl eins in einem sehr hohen Automatisierungsgrad zu fertigen, erfolgen die Produktionsschritte bei Bette in einer individuellen Reihenfolge. Die Produkte belegen Maschinen und Arbeitsplätze unterschiedlich lang. „Diese Komplexität macht es mit konventionellen Methoden der Arbeitsvorbereitung unmöglich, alle Arbeitsplätze gleichmäßig auszulasten. Es kommt zu Staus an einzelnen Maschinen und Arbeitsplätzen und so zu Belastungsspitzen, in denen die Beschäftigten stark gefordert sind“, sagt Mönikes.

Mit Hilfe von KI kann Bette die Belastung von Beschäftigten sowie die Auslastung von Arbeitsplätzen und Maschinen bis zu fünf Stunden im Voraus ermitteln. Trainiert wurde das System mit Daten aus der Produktion. Neben der individuellen Seriennummer erhebt Bette beispielsweise Arbeitsvorräte, Maschinendaten und Maschinenparameter. Zudem ermöglichen in Echtzeit erhobene Daten später im betrieblichen Alltag eine sichere Prognose. Die Ergebnisse des KI-Assistenzsystems fließen in die Arbeitsvorbereitung ein und unterstützen bei der Erstellung von Arbeitsplänen. Basierend auf den ermittelten Auslastungsprognosen können so gezielt Produkte mit unkritischen Arbeitsschritten zur Nivellierung der Arbeitsplatzauslastung eingeplant werden. Mehr zum Projekt bei Bette lesen Sie in der nächsten Ausgabe der IT&Production.

KI sortiert schmutzige Wäsche

Die Mitarbeitenden von Großwäschereien mit Hilfe von KI zu entlasten, hat sich auch das Vlothoer Unternehmen Kannegiesser vorgenommen. Industriellen Wäschereien stehen oft vor demselben Problem: Die Sortierung der Schmutzwäsche für verschiedene Waschkategorien wird bisher entweder gar nicht oder anhand von Barcodes oder RFID-Chips vorgenommen. Letzteres erfordert den Kontakt des Menschen mit der verdreckten und oftmals auch kontaminierten Wäsche, was eine große physische und psychische Belastung für die Mitarbeitenden in den Wäschereien darstellt und zudem ein erhebliches gesundheitliches Risiko in sich birgt.

„Aus diesem Grund haben wir aufbauend auf einer vorhandenen automatischen Maschine zur Wäschesortierung zusammen mit der Universität Bielefeld eine Lösung zur Schmutzwäschesortierung entwickelt, die primär auf Kamerabilder und künstlicher Intelligenz basiert“, sagt Dr. Mathias Wöhler von Kannegiesser.

Algorithmus mit knapp 10.000 Bildern trainiert

Mit knapp 10.000 Bildern hat die Universität Bielefeld einen Algorithmus angelernt, die jedes Kleidungsstück nach Farbe, Typ, Verschmutzungsgrad und -art, sowie nach Schäden und Waschtemperatur sortieren kann. „Unser Demonstrator zeigt, dass neun von zehn Test-Wäschestücke richtig kategorisiert werden, wodurch ein direkter Kontakt der Mitarbeitenden mit diesen vermieden werden kann. In einem nächsten Schritt sollte die KI direkt in einer Wäscherei angelernt werden, um möglichst automatisiert und schneller Daten aufnehmen und annotieren zu können“, sagt Nico Rabethge, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsinstitut für Kognition und Robotik (CoR-Lab) der Universität Bielefeld.

Diesen Schritt will Kannegiesser gehen. Derzeit befindet sich der Demonstrator in der Entwicklungsphase, anschließend soll die Herstellung eines Prototyps und letzte Erprobungen in einer Nullserie folgen, bevor die Serienproduktion beginnt.

Neben der Universität Bielefeld waren die IG Metall und die Deutsche Angestellten-Akademie (DAA) am Projekt beteiligt.

In einem weiteren Projekt von it’s OWL beschäftigt sich Kannegiesser damit, wie digitale Zwillinge bei Nachhaltigkeitsmaßnahmen unterstützen können. Über die reinen Ergebnisse der Projekte hinaus sieht Wöhler weitere Vorteile in der Zusammenarbeit: „Unsere Projekte bei it’s OWL dienen auch der Akquise von Spitzenkräften und steigern den Bekanntheitsgrad der Firma Kannegiesser. Gleichzeitig pflegen wir damit auch regionale Firmenkontakte, was für alle Beteiligten von Vorteil ist, da regionale Kooperationen die Effizienz der Unternehmen steigern können.“

Angebote für Unternehmen

In sechs weiteren Projekten des Kompetenzzentrums Arbeitswelt.Plus erproben Forschungseinrichtungen und Unternehmen wie Dr. Oetker, Lenze, Miele, NTT DATA, Wago, und Weidmüller im Verbund mit Gewerkschaftspartnern ebenfalls konkrete Lösungen, in denen KI-Technologien für unterschiedliche Anwendungsfelder verfügbar gemacht werden.

Die Erfahrungen, Lösungen und das Know-how aus dem Kompetenzzentrum werden durch Angebote und Transferaktivitäten an mittelständische Unternehmen weitergeben. Die Forschungsergebnisse stehen unter anderem durch das Technologie-Netzwerk it’s OWL kleinen und mittleren Unternehmen zur Verfügung. So können Unternehmen kostenfrei von Analysen, Vorträgen und Workshops profitieren. Mehr Infos zu den Angeboten: https://arbeitswelt.plus/angebote.

Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird als eines von elf Kompetenzzentren durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Programm ‚Zukunft der Wertschöpfung – Forschung zu Produktion, Dienstleistung und Arbeit‘ gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut.







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