Auf Basis einer Produktionsplattform lassen sich Automatisierungssoftware und Manufacturing Execution-Systeme auf über eine zentrale Funktions- und Datenbasis betreiben und anpassen. Bild: Invensys Wonderware

Zwischen IT-Standardisierung und betrieblicher Agilität

Der Blick auf einige wesentliche Lösungsmerkmale kann helfen, damit das spätere System die für eine ‚Operational Excellence‘ notwendige Flexibilität und Standardisierung bietet. Aus der Vielfalt an möglichen Kompromissen steht am einen Ende die vollständige Standardisierung – und absolute Flexibilität am anderen. Lebensmittel- oder Konsumgüter-Unternehmen mit mehreren Betrieben zum Beispiel stehen vor einer Unzahl an Fragen: Sollen Produktionsmanagementsysteme an jedem Standort ‚von oben nach unten‘ standardisiert werden? Soll dabei sogar die für die Automatisierung zuständigen Regelstrategien berücksichtigt werden? Oder soll stattdessen nur auf ERP-Ebene standardisiert werden, während jeder Standort alles Übrige eigenständig festlegt und verwaltet? Im besten Fall sollte der Anwender allerdings nicht zwischen diesen beiden Optionen entscheiden müssen.

Vor- und Nachteile einer Standardisierungslösung

Aufgabe der Unternehmens-IT ist es, die Gesamtkosten sämtlicher Anwendungen und Infrastruktur-Ebenen zu reduzieren. Das gilt neben Anschaffungs- und Inbetriebnahmekosten auch für laufende Aufwendungen für Wartung, Support und Änderungsmanagement. Die Methode der Wahl, Kosten zu senken und im Griff zu behalten, stellt die Minimierung von Varianzen dar – und damit vorhersehbare Kosten und Leistungen. Hierzu erfolgt häufig eine in der Systemhierarchie von oben nach unten angelegte IT-Rationalisierung, bei der ältere und redundante Softwareprodukte gegen eine einzelne Lösung getauscht werden. Auf den ersten Blick widerspricht dieser Ansatz den am Markt herrschenden Bedingungen. Denn die Frage steht im Raum, ob eine einzige IT-Lösung tatsächlich alle Anforderungen eines produzierenden Unternehmens in Bezug auf Schnelligkeit, lokaler Adaptierung von Produkten und Verpackung, Materialkosten, Koordination und Energiemanagement erfüllen kann. Denn in der Shampoo-Herstellung herrschen schließlich andere Prozesse und damit Systemanforderungen vor als bei der Produktion von Getränken, Backwaren oder Hundefutter.

Absolute Flexibilität hat ihren Preis

Um maximal flexibel zu agieren, muss jeder Produktionsstandort quasi als Insel agieren – mit kurzfristigen Zielen und jährlichen Budget-Zuweisungen. Mitarbeiter, Geräte und Systeme sind dann darauf spezialisiert, auf wöchentliche oder sogar tägliche Bedarfsänderungen zu reagieren, sowohl in Bezug auf Produktionsmengen als auch auf den Produktmix. Die Anlage hingegen ist auf ihre vorgesehene Nutzung optimiert. Aus Konzern- oder Unternehmenssicht begrenzt eine hochflexible Anlage die Möglichkeiten, was mittel- und langfristige Planung angeht – etwa um bei Bedarf lang laufende, margenschwache Produkte effizient zu produzieren. Zudem ist eine hochflexible Produktion im hohen Maße auf Personen und Spezialisten angewiesen, die den Betrieb und die Wartung der technisch hoch spezialisierten Maschinen sicherstellen. Verlässt eine wichtige Person das Unternehmen, steht im Extremfall die ganze Produktion auf dem Spiel. Gehört der Standort zu einen Unternehmen mit mehreren Werken, lassen sich Betriebsleiter und Verantwortliche nur mit aufwändiger Einarbeitung an anderer Stelle einsetzen. Mit der Flexibilität steigen daher Kosten und Risiken.

Erfolgsrezept: Eine ‚Plattform-Strategie‘

Auf der anderen Seite ist Flexibilität notwendig, um auf wechselnde Marktanforderungen zeitnah zu reagieren. Für einen tragfähigen Kompromiss zwischen Standardisierung und Flexibilität kann sich der Blick auf aktuelle Plattform-Technologie lohnen. Bei der Plattform handelt es sich um ein bewährtes Konzept: Ein Smartphone oder Tablet-PC beispielsweise verfügt in der Regel über vorinstallierte und von den meisten Anwendern benötigten Standardfunktionen wie E-Mail, Kalender, WLAN oder Kamera. Der Besitzer kann das Gerät mithilfe modularer Anwendungen, den so genannten Apps, an seine Bedürfnisse anpassen. Diese Kleinanwendungen sind im Verbraucherbreich für unterschiedlichste Bereiche erhältlich- von der Reiseplanung über Produktivitätshilfsmittel bis zu Gesundheitsratgebern. Die Geräteplattform ermöglicht diese Personalisierung auf Basis von Standardfunktionen und -technologie. Vom Prinzip her lässt sich dieses Verfahren auch auf Unternehmenssoftware und Produktionssysteme übertragen: Das Abbilden von Standard-Betriebsabläufen und Ausführungsfunktionen, die über spezielle ‚Apps‘ an die individuellen Anforderungen einer Produktion angepasst werden.