Dr. Olaf Sauer ist Stellvertreter des Institutsleiters des Fraunhofer IOSB in Karlsruhe.

Skalierbare Systemfunktionen durch Cloud Computing

Der grundsätzliche Ansatz von Cloud Computing liegt darin, dass Rechenleistung, IKT-Systeme und ihre Funktionalitäten nicht beim Anwender lokal installiert sind, sondern aus einem externen Rechenzentrum nach Bedarf bezogen werden. Der Anbieter einer ‚Public‘ oder ‚Private‘ Cloud unterstützt dafür eine komplexe Infrastruktur. Basierend auf dieser Infrastruktur können auch MES-Anbieter ihre Services anbieten. Einschlägigen Studien zufolge werden Cloud-Lösungen bereits für PLM- und SCM-Funktionalitäten, für Auswertungs- und Reporting-Funktionalitäten sowie teilweise für Qualitätsmanagement, Lagerverwaltung und Transportsteuerung angeboten.

Interoperabilität und Plug-and-work-Fähigkeit

Ein im Kontext der flexiblen, adaptiven Produktion adressiertes Thema ist die automatische Erkennung von Änderungen in der Fabrik sowie deren Verwaltung und Umsetzung. Aktuelle Entwicklungen deuten darauf hin, dass sich der Prozess der Planung und Inbetriebnahme einer Fabrik, ihrer Maschinen und Anlagen und deren Komponenten in Zukunft grundlegend verändern wird: Anlagen werden aus mechatronische Komponenten zusammengebaut, welche durch 3D-Geometrie, Kinematik und Logik als Teile von Steuerungsprogrammen gebildet werden. Diese intelligenten Komponenten ‚kennen‘ ihre Fähigkeiten und ‚wissen‘, in welche Anlagen sie eingebaut werden können. Gegebenenfalls ändern sie Konfigurationseinstellungen, um sich an die Fertigungsaufgabe und auch an die Anlage, in die sie eingebaut werden, anzupassen zu können. Voraussetzungen für diese Adaptivität umfassen unter anderem:

  • Sicherheit, zum Beispiel im dem Sinne, dass keine unberechtigten Teilnehmer oder Geräte in die Produktionsanlage eingebaut werden. Um diese Voraussetzung zu erfüllen, hat das BMBF das Forschungsprojekt ‚Secure Plug and Work‘ bewilligt. Ziel ist es, Mechanismen mit integrierter Sicherheitstechnologie durchgängig anhand von Demonstratoren zu erarbeiten, und zwar auf Basis von marktgängigen und frei verfügbaren Standards. Bei der Umsetzung sind Sicherheitsmechanismen wie Authentifizierung und Autorisierung in die Architektur produktionsnaher IKT von vornherein zu integrieren: Werkzeuge und Entwicklungsumgebungen, die beispielsweise Automation ML-kompatible Objekte erzeugen, sollen sicherstellen, dass sensible Daten frühestmöglich gegen Angriffe durch Abhören und Modifikation geschützt werden. Dazu kommen standardisierte Security-Mechanismen wie Verschlüsselung, Signieren sowie Authentifizieren von Datenobjekten und Steuerungskomponenten zur Anwendung.
  • Standardisierte Kommunikation vom eingebetteten System bis ins MES: Der Zugriff auf herstellerunabhängige Standards wie OPC-UA, der über eine hohe funktionale Skalierungsfähigkeit verfügt, stellen eine vielversprechende Basis-Technologie für durchgängigen Informationsaustausch dar. OPC UA kann zudem mit nur 15 Kilobyte Speicherbedarf auch in kleinste eingebettete Systeme integriert werden.
  • Standardisierte Gerätebeschreibung: Eigenschaften und Fähigkeiten werden direkt auf den Geräten gespeichert und per Schnittstelle in der Steuerung angeboten. Die Gerätehersteller hinterlegen dazu Informationen in einer standardisierten Beschreibung auf den Bauteilen, die von Maschinensteuerungen oder einem überlagerten MES ausgelesen und interpretiert werden kann, etwa im AutomationML-Format. Durch die physische und informelle Integration lassen sich manuelle Aufwände bei Inbetriebnahme, Instandhaltung und Änderungen der Produktion einsparen. Weiteres Potenzial ergibt sich durch die Reduzierung von Konfigurationsaufwendungen für produktionsnahe IT: Viele hierzu erfoderliche Daten werden in vorgelagerten Engineering-Phasen bereits beschrieben und in IT-Systemen hinterlegt. Um die Begriffe der Selbstbeschreibung zu standardisieren, hat der VDI die Richtlinie 5600, Blatt 3, erarbeitet. Dort sind die Inhalte von Datenpunkten beschrieben, die zwischen Steuerung und überlagerten Systemen ausgetauscht werden. Eine Untermenge der Datenpunkte der VDI 5600-3 ist die neue Initiative ‚Universal Machine Connectivity for MES‘ (UMCM) des MES-D.A.CH.-Verbandes, der ebenfalls die auszutauschenden Inhalte zwischen Steuerung und MES standardisiert und verbreitet.
Bild 2: Mit der Kommunikationsfähigkeit und ‚Intelligenz‘ der Komponenten in der Werkhalle erweitern sich die Möglichkeiten, Instandhaltungsprozesse von einer rein korrektiven Wartung hin zur ‚Prescriptive Maintenance‘ zu entwickeln. Bild: Linden, A; Gartner Research Director, www.gartner.com

Condition Monitoring und Software verschmelzen

Die Produktivität eines Fertigungssystems wird maßgeblich durch die produzierte Menge von Gutteilen und die Verfügbarkeit von Produktionsanlagen bestimmt. Um die Verfügbarkeit zu verbessern, rücken neue Strategien zur Wartung und Instandhaltung von Anlagen, unterstützt durch Condition Monitoring, in den Fokus. Der Trend geht hin zu Systemen, die vorausschauend Wartungs- und weitere Handlungsvorschläge im Sinne einer ‚Prescriptive Maintenance‘ machen (Bild 2). In diesem Kontext können etwa Sensor- und Aktordaten von Produktionsanlagen genutzt werden, um einen technischen Prozess automatisch auf Optimierungspotential im Hinblick auf Ressourcenverbrauch wie Wasser oder Energie hin zu untersuchen. Softwaresysteme wiederum können das Verhalten von Produktionsanlagen diagnostizieren, das Normalverhalten abstrahieren und so frühzeitig Abweichungen wie Verschleiß oder Fehler erkennen. Im Endeffekt kann dieser Prozess durch die maschinelle Interpretation relevanter Daten auch zur Entlastung des Anlagenbedieners führen. Grundlage für solche neuen Potenziale sind Informationen über den Prozess, die von Feldgeräten wie Sensoren und Aktoren erfasst werden.

Software-basierten Dienstleistungen – auch von MES-Anbietern – eröffnen sich mit der durch Industrie 4.0 ausgelösten Entwicklung Chancen, ihr Know-how auf andere Anwendungsfelder auszudehnen: Rund um die Produktion und ihre Ausrüster können so Dienstleistungen, die auf Software basieren, zunehmen. Dazu zählen zum Beispiel Fernwartung, Verfügbarkeitsgarantien, mobile Clients zum Zugriff auf Maschinendaten, Konnektoren für bestimmte Maschinentypen und so weiter. Viele Systemanbieter verfügen über langjährige Erfahrungen, mit denen sie die Ausrüster von Produktionssystemen dabei unterstützen können, solche Dienstleistungen zu spezifizieren und zu implementieren.