Risikomanagement

Schwächen als Chancen begreifen

Größere Projekte stellen Unternehmen oft vor große Herausforderungen. Mit der passenden Strategie lassen sich aber lauernde Gefahren frühzeitig identifizieren und abwenden. Ziehen alle am gleichen Strang, steht dem Projekterfolg nichts mehr im Wege.

Bild: House of PM GmbH

Projekte bestimmen heute in vielen Unternehmen den Arbeitsalltag. Ein professioneller Risikomanagement-Prozess hilft dabei, Gefahren im Projektverlauf früh zu identifizieren, deren Auswirkungen zu analysieren und geeignete Maßnahmen für die Sicherung des Projekterfolgs zu planen. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, alle etablierten Projektmanagement-Standards geben geeignete Prozesse und Werkzeuge an die Hand und das Verständnis für die Notwendigkeit solcher Prozesse ist in den meisten Unternehmen vorhanden. Doch die Erfahrungen zeigen, dass deren Umsetzung häufig unvollständig und mangelhaft ist. Das Potential des Risikomanagements wird in vielen Unternehmen nur unzureichend ausgenutzt und der Prozess häufig als zusätzlicher Ballast angesehen. Gerade Unternehmen mit fest eingespielten Zuständigkeiten und langjährigen Mitarbeitern tun sich hier besonders schwer. Projektmitarbeiter scheuen sich, Risiken und ihre Auswirkungen offen anzusprechen und begnügen sich mit der Auflistung von Standardrisiken. So bleiben wichtige Risiken im Verborgenen und ziehen weitreichende Konsequenzen nach sich, wenn sie eintreten. ft:

Negativ belastet

Dass die Umsetzung der Risikomanagement-Prozesse in der Praxis häufig mangelhaft ist, liegt auch daran, dass das Wort Risiko im deutschen Sprachgebrauch negativ belastet ist. Es setzt unangenehme Assoziationen frei, die den Blick auf die Chancen versperren. Die Implementierung eines Risikomanagements löst daher häufig Widerstände aus. So deuten es viele Mitarbeiter erst einmal als Schwäche, wenn Projektrisiken in ihren Bereichen offengelegt werden sollen. Sie tendieren also dazu, ihren Beitrag zu verteidigen, Risiken zu verschweigen oder auf andere Bereiche und Personen zu schieben. Nachvollziehbar, denn alle Projektbeteiligten müssen offen über Schwachstellen in ihren Bereichen sprechen, auf Unsicherheiten in den eigenen und verwandten Projektstrukturen hinweisen und sich diesbezüglich in die Karten schauen lassen. Das sind umfassende Prozesse, die einer engen Begleitung bedürfen und Zeit und Verständnis von allen Beteiligten einfordern.

Offenheit, Austausch, Mut zur Benennung von eigenen und fremden Unsicherheiten – alles Aspekte, die tief in die DNA eines Unternehmens eingreifen. Sie können nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn alle Stakeholder an einem Strang ziehen. Dabei umfasst der Risikomanagement-Prozess den Umgang mit allen nicht sicher vorhersagbaren Ereignissen und Bedingungen. Dazu gehören auch mögliche Chancen, die einen positiven Effekt auf das Projektergebnis haben können. Ein professionelles Risikomanagement in Projekten hat daher zum Ziel, sowohl die Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkungen negativer Ereignisse zu reduzieren als auch die Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkungen positiver Ereignisse zu steigern. Jedes identifizierte Projektrisiko ist damit auch eine Chance für das Projekt und das gesamte Unternehmen. Jüngere Unternehmen und Start-ups sind in dem Bereich meistens offener und haben weniger Schwierigkeiten als etablierte Unternehmen damit, die nötigen Prozesse für ein Risikomanagement anzuschieben. Das mag vor allem daran liegen, dass in den etablierten Unternehmen die Prozesse und Zuständigkeiten oft schon so fest verankert sind, dass ein alternatives Vorgehen den Mitarbeitern schwerer zu vermitteln ist.

Wirksam Prozesse initiieren

Die Praxiserfahrung zeigt, dass neben den üblichen Prozess-Schritten und Werkzeugen des Risikomanagements folgende drei Aspekte für den Nutzen des Prozesses entscheidend sind: Gemeinsames Verständnis und positive Konnotation von Risiken, Transparenz über die Schnittstellen und Abhängigkeiten zwischen Teilprojekten und beteiligten Unternehmensbereichen sowie Nutzendarstellung des Risikomanagements. Die gemeinsame Verpflichtung auf die Risikomanagement-Prozesse im Team ist entscheidend für die erfolgreiche Implementierung eines durchgreifenden Risikomanagements. Merksätze und Regeln zum Umgang mit und Austausch von Projektrisiken können dabei helfen. Entscheidend ist es, dass die gemeinsam vereinbarten Richtlinien von allen Mitarbeitern gleichermaßen angenommen werden und breite Akzeptanz genießen. Davon ist auch die Führungsetage nicht ausgenommen: Die Vorgesetzten verfügen über die Zeit- und Geld-Budgets, die für die Implementierung notwendig sind.

Es ist also nicht unerheblich, dass diese Prozesse die Rückendeckung der Chefetage erhalten. Erst wenn alle Stakeholder an Bord sind und die gemeinsam vereinbarte Vorgehensweise unterstützen, wird die praktische Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen von Erfolg gekrönt sein. Das Team führt gemeinsam die Prozesse ein, um Alternativpläne für die identifizierten Risiken zu entwickeln und diese im Bedarfsfall effektiv umzusetzen. Es setzt Kennzahlen für ermittelte Risiken auf, entwickelt Szenarien für den Eintrittsfall und entscheidet, bei welchen Schwellwerten diese zum Einsatz kommen sollen. So verschaffen sich alle Mitarbeiter im Unternehmen frühzeitig einen Überblick und können bei Bedarf sofort mit den gemeinsam definierten Maßnahmen den Projekterfolg sichern helfen. Grundlage bildet hier ein standardmäßiger Projekt-Kick-off, bei dem der Umgang mit Chancen und Risiken im Projekt festgelegt wird. Von Vorteil ist dabei die Definition einer Rolle im Projekt, die sich hauptverantwortlich für den Risikomanagement-Prozess im Projekt oder in der Organisation zeigt.

Drei Verfahren

Es haben sich darüber hinaus drei Verfahren etabliert, mit Hilfe derer die Identifikation von Chancen und Risiken, gerade in komplexen oder verfahrenen Projektsituationen, zum Erfolg geführt haben: Erstens ‚Project Speed Dating‘, zweitens ‚In kleinen Schritten zum Erfolg: Stufenmodell für Chancen und Risiken‘ und drittens die ‚Arbeit mit dem Risikostrukturplan‘. Zur Nutzendarstellung des Risikomanagement-Prozesses ist es förderlich, mindestens beim Projektabschluss eine explizite Bewertung der durch das Risikomanagement erreichten Schadensbegrenzung beziehungsweise Potenzialausschöpfung durchzuführen und diese entsprechend in Projekten und Organisation zu kommunizieren. Hiermit werden die Grundlagen gelegt, um die Akzeptanz für das Risikomanagement in den Köpfen aller Mitarbeiter zu verankern.