Automatisierte Zusammenstellung des Prüfablaufs

Steht ein Kundenauftrag zur Produktion an, übernimmt die Arbeitsplan-Prüfplan-Matrix der Manufacturing-Software die Führung: Bei der Übergabe des Fertigungsauftrags durch das ERP-System enthält der Teilestamm die Zeichnungsnummern von Blankdose und fertigem Artikel. Anhand dieser stellt das MES automatisch den Prüfablauf zusammen und zieht sich die relevanten Prüfpläne pro Arbeitsfolge – also Linienfreigabe, Pressen, Veredeln, Konifikation. „Durch diese Zuordnung können wir auf einer übergeordneten Ebene ersehen, welche Prüfanweisungen in den einzelnen Abläufen in welchem Umfang abzuarbeiten sind“, erläutert Huettig. Die Matrix berücksichtigt dabei auch die tatsächlichen operativen Parameter, wie beispielsweise Maschinenbelegung, Werkzeugeinsatz sowie Kundenanforderungen hinsichtlich erweiterter Prüflose oder sicherheitsrelevanter Extraprüfungen.

Prozesskontrolle im Dienst der Qualität

In der Aerosoldosen-Produktion arbeitet der Verpackungshersteller nach dem Kaltfließpressverfahren. Doch bevor die Fertigungslinien ihre Arbeit aufnehmen, prüfen Anlageneinrichter und Qualitätsverantwortlicher per Stichprobenprüfung die korrekte Einstellung der Anlage. Erst nach positiver Statusmeldung des Produktionsanlaufs durch das MES wird der Auftrag initiiert. Während des ersten Fertigungsabschnitts erhalten die Dosen ihre Rohform, welche dann am ‚Blank-Arbeitsplatz‘ mithilfe entsprechender Messmittel auf Wand- und Bodenstärke sowie Dosenlänge geprüft wird. „Jeder Anwender bekommt alle für ihn relevanten ’statistical process control‘-basierten (SPC) Prüfungen automatisch angezeigt, sobald er sich an seinem Arbeitsplatz anmeldet“, schildert Huettig.

Das gleiche Prinzip kommt am Prüfarbeitsplatz nach Veredelung der Dose zur Anwendung. Nun hat der Druckbehälter seine Innenlackierung erhalten und wurde im Anschluss an seine Oberflächengrundierung mit dem kundenindividuellen Druckbild versehen. Im Rahmen der nun folgenden optischen Kontrollen des Dekors verwendet der Werker zusätzlich zum Prüfplan die vom Kunden freigegebenen Druckformen und -filme, um die Farbechtheit sicherzustellen. Ihre Form erhält die bedruckte Aerosoldose im Konifikationsaggregat der Linie. Danach wird sie verpackt und für den Versand vorbereitet. Doch bevor die Endprodukte ihre Reise zum Befüller antreten, werden sie im Prüfcontainer des Shopfloors umfangreichen SPC-Endkontrollen – etwa einer Berstdruckprüfung – unterzogen.

Kundenspezifische Anforderungen berücksichtigen

Nur wenigen Verbrauchern dürfte bewusst sein, dass das Innere einer Aerosoldose einem Druck von bis zu 18 Bar standhalten muss – also dem sechsfachen eines herkömmlichen Autoreifens. Hinzu kommt die kritische Bedeutung der Innenlackierung: Ist diese nicht perfekt, kann es zu einem unerwünschten Zusammenschluss von Aluminium und Füllgut kommen. Deshalb führt ein spezielles Labor neben den fertigungsbegleitenden Dauerprüfungen weitere Stichprobentests durch. Erst dann erfolgt die abschließende Zertifikatserstellung. „Dieser Bereich arbeitet bislang noch ohne Unterstützung durch die Shopfloor-IT, doch die Fachkonzepte sind fertig und die Einführung steht kurz bevor“, sagt Huettig. Ein Hauptgrund für die längere Planungsphase liegt in der Berücksichtigung kundenspezifischer Acceptable Quality Level-Werte (AQL), welche oftmals den Auslöser der Extraprüfungen darstellen.

Diese Werte beschreiben die annehmbare Qualitätsgrenzlage in Abhängigkeit zur Produktionsmenge und müssen somit je nach Kunde und Auftragsvolumen individuell berücksichtigt werden: Über den Produktionsauftrag hinweg muss nach dem AQL-Wert ein Prüflos von insgesamt 50 Dosen auf den Parameter ‚Bodenstärke‘ getestet werden. Im Rahmen der fertigungsbegleitenden SPC-Prüfungen wurde dieses Merkmal bereits 40 Mal verifiziert. Die verbleibenden zehn Tests werden dann im Speziallabor ausgeführt. Die Berechnung dieses Prüfdeltas lässt sich künftig durch das MES automatisch und prozesssicher mittels hinterlegter Wertetabellen steuern und in Echtzeit in den Prüfplänen des Labors hinterlegen.

Unterstützung bei der Zertifikatserstellung

Die Manufacturing-Software kommt auch im Werk Wolfsberg zum Einsatz. Hier liegt der Fokus auf Aluminiumtuben als Verpackungsmittel für pharmazeutische Produkte, wodurch die Qualitätsanforderungen nach ISO 15378:2006 noch strenger sind. Dies betrifft vor allem die Dokumentationspflichten des Labors rund um die Zertifikatserstellung, wobei viele Messdaten akribisch erfasst werden müssen. „Vor diesem Hintergrund haben wir uns dazu entschlossen, das MES zunächst in diesem Umfeld einzuführen und erst im zweiten Schritt mit der Linie zu beginnen“, erläutert Michael Kogler, Projektverantwortlicher am Standort Wolfsberg. Über die Arbeitsplan-Prüfplan-Matrix werden seit nunmehr einem Jahr ebenfalls alle relevanten Prüfpläne automatisch erstellt, jedoch unter Verwendung von Sachmerkmalen, etwa kunden- und teilespezifische Produktionsmerkmale, aus dem ERP-System und nicht – wie in Rangendingen – über die Zeichnungsnummer.

Im weiteren Verlauf werden die Ergebnisse der Labormessplätze über eine vollständige Integration an das MES übertragen, wo die Berechnung der vorgeschriebenen Mittelwerte pro Merkmal sowie der kundenspezifischen Qualitätsindikatoren stattfindet. „Bei bis zu 40 Merkmalen und 200 Messwerten pro Parameter bringt das MES eine enorme Arbeitserleichterung mit sich, die wir nun schrittweise am gesamten Standort realisieren wollen“, so Kogler weiter. Zudem stehen schon die nächsten IT-Projekte bevor: Am schwäbischen Hauptsitz soll nach der MES-Einführung im Laborbereich eine Betriebs- und Maschinendatenerfassung implementiert werden, um die Produktivität und Prozesssicherheit weiter zu verbessern. Am Tubex-Standorts im deutschen Wasungen soll die Manufacturing-IT um ein weitreichendes Energiemanagement-System ergänzt werden.