ERP und Industrial Apps bei GHH

Mobile Prozesse im Sonderfahrzeugbau

Als Sonderfahrzeugbauer ist die GHH Fahrzeuge GmbH auf besondere Präzision und Flexibilität in den Unternehmensprozessen angewiesen. Vor allem, um die Datenqualität zu erhöhen, entschied sich das Unternehmen für die Einführung eines neuen ERP-Systems samt Apps. Zwei wesentliche Ziele sind: Papierformulare sollen abgeschafft und Daten direkt am physischen Prozess erfasst werden.

(Die Fahrzeuge werden über und unter Tage eingesetzt, müssen aber in jedem Fall an die Umweltbedingungen angepasst werden. Bild: PSI Automotive & Industry GmbH)

Bis zu 60 Tonnen schwer, stets ein Unikat und rund um die Uhr im Einsatz: Seit über 50 Jahren entwickelt und fertigt GHH Fahrzeuge GmbH (GHH) aus Gelsenkirchen Sonderfahrzeuge für den untertägigen Berg- und Tunnelbau. Die Auftraggeber kommen aus der ganzen Welt, vor allem aus Indien, Deutschland, Südafrika, Südamerika und aus den USA. Jeder Fahrlader, Muldenkipper und Berauber wird an die jeweiligen Anforderungen im Bergwerk angepasst, etwa an eine harte oder weiche Gesteinsart oder an die Höhen und Breiten der befahrbaren Wege. „In Bezug auf Funktionalität und Leistungsklasse sind unsere Produkte zwar einheitlich, der Rest ist aber individuell“, beschreibt Lars Barnewold, Head of Digital Operations & IT bei GHH, die eigenen Produkte. Dass sich Barnewold auch und gerade für die Maschinen interessiert, ist kein Zufall. Denn als Bergbauingenieur kommt er aus der Welt, in der die GHH-Fahrzeuge eingesetzt werden und versteht genau, was diese Maschinen aushalten müssen.


3.000 Stücklistenpositionen pro Fahrzeug
Lars Barnewold startete bei GHH mit der Aufgabe, die Einführung eines neuen ERP-Systems zu leiten. Ein Grundsatz der Implementierung zielte auf die Erhöhung der Datenqualität vor allem durch eine verbesserte Erfassung ab. Dabei geht es um ein vielschichtiges System, wie allein ein Blick auf einige Kennzahlen zeigt: So pflegt das Unternehmen circa 90.000 aktive Artikel, führt 40.000 Stücklisten und entwickelt Fahrzeuge mit bis zu 3.500 Stücklistenpositionen, inzwischen verteilt auf bis zu sechs Stücklistenebenen und die drei Stücklistenarten Engineering, Grunddaten sowie Fertigung. „Als klassischer Assembly-Betrieb verfügen wir zwar nur über eine geringe Fertigungstiefe. Die Orchestrierung von Entwicklung, Steuerung der Zulieferer, Logistik und Montage in unserem Haus stellt aber umso größere Ansprüche an unsere Prozesse und Datenhaltung“, sagt IT-Leiter Barnewold.


Komponenten vorsteuern
Die Software der Wahl war das ERP-System PSIpenta der Berliner Firma PSI Automotive & Industry. Die Software überzeugte laut Lars Barnewold vor allem mit ihrem Standardsystem für den Sondermaschinenbau sowie den integrierbaren PSIpenta/Industrial Apps (PIA). Wesentlich im ERP-Standardsystem ist für GHH die Abbildung von wachsenden Stücklisten. Der IT-Leiter: „Sie ermöglichen uns, mit der Bestellung, Produktion und Montage zu starten, während in der Entwicklung noch an Stellschrauben gedreht und Änderungen vorgenommen werden.“ Angesichts von Lieferzeiten der Fahrzeuge von bis zu 14 Monaten ist das Vorsteuern von zentralen Komponenten im Sondermaschinenbau essenziell. Für die Sonderfahrzeuge von GHH zählen vor allem der Motor, die Achsen oder Getriebe dazu, aber auch Stahlteile und einige Ventile.

(Entnommenes Material wird mithilfe der ERP-Software und ihrer mobilen Apps direkt an den Montagestationen gebucht. Bild: PSI Automotive & Industry GmbH)

Scanner-basiert Informationen durchbuchen
Um schließlich alle benötigten Teile für ein Fahrzeug sauber gepackt am Montageplatz abstellen zu können, braucht es präzise gepflegte Stücklisten ebenso wie ein exakt geführtes und im ERP-System lückenlos abgebildetes Lager. Dazu müssen Informationen sauber durchgebucht werden. „Genau hier mussten wir besser werden. Gerade bei der Warenannahme und im Lager gab es im Zusammenspiel mit der Produktion noch viele Papierformulare und daraus resultierende Verzögerungen und Ungenauigkeiten im System. Ähnliches galt für den Versand“, beschreibt Barnewold. Mit den Apps des ERP-Anbieters konnte GHH diese Lücken schließen: „Heute erfassen die jeweils verantwortlichen Personen sämtliche Daten zeitgleich mit dem physischen Prozess.“ Früher wurden etwa Lieferscheine händisch ausgefüllt, gesammelt und erst nach einiger Zeit an den Lagerinnendienst übergeben. Erst nachträglich buchten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Informationen folglich ins System. Heute scannen die Lageristen alle Wareneingänge und erfassen Lagerbewegungen und Materialausbuchungen inklusive Plausibilitätsprüfung ohne Zeitversatz im System. Gerade der manuelle Übertrag von Fertigungsnummern und Warenannahmebelegen war zuvor mit dem Risiko von Eingabefehlern behaftet. Manchmal waren es Zahlendreher, oftmals war die Schrift verschmiert oder nicht lesbar. „Durch unseren Scanner-basierten Ansatz sind derartige Fehler heute ausgeschlossen“, so Lars Barnewold.

Zwischenlager schafft Auskunftsebene
Die Einführung eines Produktions- bzw. Zwischenlagers in Kombination mit einer laufwegoptimierten Liste sind weitere wichtige Puzzleteile, die zur Datentransparenz, zu beschleunigten Prozessen und höheren Aussagekraft der Systemdaten geführt haben. Früher haben die Lageristen für die Produktion entnommenes Material einfach ausgebucht. Für die Werker war weder ersichtlich, welches Material bereits am Arbeitsplatz sein müsste, noch wo dieses liegt. Zudem buchte die Fertigung nicht verbautes Material ebenfalls erst nach Fertigstellung eines Fahrzeugs wieder ins System ein. Der Systematik von PSIpenta folgend, holen die Lageristen das Material heute anhand der Stücklisten laufwegeoptimiert aus dem Lager, buchen die Bauteile in das neue Produktionslager und drucken unmittelbar QR-Codes, um das Bauteil einem Fertigungsauftrag auch physisch zuordnen zu können. Die endgültige Ausbuchung nehmen dann die Fertigungsmitarbeiter vor. „Wir haben hierdurch eine weitere Auskunftsebene geschaffen, die für uns sehr wertvoll ist. So können wir beispielsweise bei dringenden Ersatzteilanfragen von Kunden – hier geht es schließlich immer um kritische Infrastrukturen – im Zweifel auf das Produktionslager zurückgreifen. Das war vorher nicht möglich, da wir immer erst am Ende eines Projektes wussten, was in einem Fahrzeug verbaut ist und was nicht“, sagt Lars Barnewold.

Genau zugeschnittene Systemdialoge
Zentrale Gründe für die neu gewonnene Daten- und Prozessqualität sind für den IT-Leiter nicht zuletzt die konsequente Prozessorientierung und verringerte Anzahl an Operationen in den Apps. So können die mobilen Anwendungen einerseits alle Standardoperationen aus dem ERP-Client aufnehmen. Andererseits ermöglichen sie es den Unternehmen, die verfügbaren Funktionen auf das Wesentliche herunterzubrechen. Bei GHH wurde für die Ausarbeitung der Dialoge überlegt, welche Kompetenzen jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin mitbringt, um bestimmte Informationen einzugeben. Barnewold betont, welche Rolle in diesem Kontext psychologische Aspekte spielen: „Indem wir die Apps und ihre Funktionen reduziert haben, haben wir vielen Kollegen einfach die Angst vor dem Umgang mit dem ERP-System genommen. Von ihnen werden nur Informationen aus Prozessen gefordert, mit denen sie sich richtig gut auskennen.“ Gerade auch die älteren Mitarbeiter und Minijobber hätten die neuen Prozesse daher sofort akzeptiert und positive Rückmeldungen gegeben.

(Lars Barnewold, IT-Leiter bei GHH Fahrzeugbau. Bild: PSI Automotive & Industry GmbH)


Hohe Identifikation durch Nähe zum ERP-System
Nach Auffassung von Lars Barnewold ist GHH durch die digitale Einbindung der mobilen Prozesse in drei Punkten erheblich vorangekommen: Erstens habe sich die Datenqualität massiv erhöht. Zweitens stünden deutlich mehr Informationen zur Verfügung, die u.a. eine Nachbetrachtung und Verbesserung der Stücklistenqualität ermöglichen. Und drittens ließen sich mehr Personen ins ERP-System einbinden. Noch mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Lager und Versand sind nun Teil des Systems. Damit steigt einerseits ihre Verantwortung, Daten sauber ins System zu übertragen, aber gleichzeitig eben auch ihr Verständnis dafür, dass und wie sie konkret zum Informationsgehalt beitragen. Die stärkere Identifikation mit dem neuen ERP-System spiegelt sich auch in der Zufriedenheit wider: „Überall dort, wo nach den wenigen Monaten schon Früchte zu sehen sind, ist das Team aufgrund seiner Nähe zum System einfach sehr stolz“, so Lars Barnewold, „Und das ist Gold wert.“

(Bild: PSI Automotive & Industry GmbH)

Näher an den Standard
Flexible und dabei schnellere Prozesse, höhere Datenqualität, zufriedene Mitarbeiter: Für GHH hat sich die Wahl der ERP-Branchenlösung PSIpenta inklusive Apps schon wenige Monate nach Einführung ausgezahlt. Mit der weiteren Annäherung an das Standardsystem will das Unternehmen in den nächsten Jahren noch mehr Potenziale heben und fühlt sich auch IT-seitig gewappnet, die erfolgreiche Unternehmensgeschichte fortzuschreiben.