Predictive Maintenance für die Lagerautomatisierung

KI-Wartungsassistent im Hochregallager

Automatisierte Lagersysteme sind eines der Steckenpferde des Automatisierungsspezialisten Lenze. Zusammen mit dem Fraunhofer IEM entwickelte die Firma jetzt einen KI-basierten Wartungsassistenten für ihre Hochregallager. So vermeidet das Unternehmen ungeplante Stillstände und spart Zeit und Kosten. Künftig sollen auch Kunden dieses System für ihre Intralogistik erwerben können. Gefördert wurde die Zusammenarbeit der Lenze-Tochter Encoway mit dem Fraunhofer IEM im it’s OWL-Projekt Easy.

 (Bild: Dock One)
(Bild: Dock One)

Leistungsfähige Antriebe und eine ausgeklügelte Steuerung der Transportsysteme: Damit ermöglicht Lenze die automatisierte Bestückung und Entnahme in seinen Hochregallagern bei bis zu 25.000 Warenbewegungen pro Tag. Die Wartung dieser komplexen Systeme ist ebenso wichtig wie aufwendig. Fällt eine Maschine aus, kommt der gesamte Prozess ins Stocken. Je nachdem, wie schnell ein Fehler gefunden und behoben wird, kann der Stillstand im Lager mehrere Tage dauern – und enorme Kosten verursachen.

Reparaturen gezielt einplanen

Um Ausfallzeiten zu vermeiden, setzt Lenze seit kurzem auf einen KI-basierten Wartungsassistenten: Ein Machine-Learning-Algorithmus deckt kritische Zustände auf, die ein unmittelbares Eingreifen erfordern. Zum anderen erkennt und lokalisiert der Algorithmus entstehende Defekte oder zunehmenden Verschleiß an Komponenten, bevor sich Auswirkungen für den Lagerbetrieb ergeben. Wenn beispielsweise die Führungs- oder Antriebsräder der Regalbediengeräte stark abgenutzt sind, erkennt der Wartungsassistent den drohenden Ausfall rechtzeitig und kann die betroffene Stelle lokalisieren.

Die Mitarbeitenden können dann den Austausch der Räder planen – abhängig von Faktoren wie Arbeitsplänen, Lieferfristen oder Ersatzteillieferungen. „So planen wir Reparaturen und Austausche an unseren Maschinen künftig systematisch in laufende Prozesse ein. Das erhöht die Verfügbarkeit unserer Anlagen und damit ihre Wirtschaftlichkeit“, sagt Dr. Heiko Stichweh, Abteilungsleiter Innovation bei Lenze.

KI-Wartungsassistent nachrüsten

Der Wartungsassistent zieht seine Informationen aus der bestehenden Sensorüberwachung der Antriebsmotoren. Die Motoren fungieren als Schnittstellen zwischen den Maschinen und dem Wartungsassistenten. Läuft im Gesamtsystem etwas unrund, wird in den Motordaten eine Abweichung vom Normalzustand detektiert. „Wir haben unsere Algorithmen so ausgelegt und trainiert, dass sie fähig sind, jegliche Zustandsveränderungen zu erkennen und zu verorten“, erläutert Maximilian Bause, Machine-Learning-Experte am Fraunhofer IEM. Wollen Kunden von Lenze den Wartungsassistenten einsetzen, können also auf bestehende Sensorik zurückgreifen.

Entwicklungsteam setzt auf Embedded und Edge Devices

Bei der Entwicklung des KI-Wartungsassistenten bemerkte das Projektteam eine hohe Datenqualität der Lenze-Maschinen: „Unsere Antriebsdaten haben eine sehr hohe Qualität durch geringes Rauschen bei hochfrequenter und hochauflösender Abtastung. Das erleichtert zielgerichtete Analysen zur Überwachung verschiedener, prozesskritischer Komponenten – auch solcher, die nicht mit dem Motor verbunden sind“, sagt Dr. Simon Michalke, Innovationsmanager bei Lenze. Doch die Verarbeitung dieser großen Datenmengen ist ressourcenintensiv und verbraucht viel Energie. Deshalb wählte das Projektteam mit Embedded und Edge Devices keine Cloud-Infrastruktur als Basis. Die Daten können so bei Bedarf maschinennah verarbeitet werden.

 (Bild: Dock One)
(Bild: Dock One)

Wartungsassistent für die Automatisierungsbranche

Aktuell integriert Lenze den Wartungsassistenten in die eigene Lagerlogistik des Mechatronic Competence Campus in Extertal. So kann das Unternehmen Trainingsdaten zu Störungen, Ausfällen und Verschleiß erfassen und das Predictive-Maintenance-System weiter optimieren. Der Anbieter plant zudem, den Wartungsassistenten serienmäßig in seine Softwareprodukte zu integrieren – und so für viele Anwendungsfälle in der Automatisierungsbranche verfügbar zu machen. Durch die Flexibilität des Systems ist eine Übertragung in weitere antriebstechnische Anwendungen denkbar.

Predictive-Maintenance für den kleinen Geldbeutel

Obwohl Predictive Maintenance großes Potenzial hat, fällt es vielen Unternehmen schwer, sich für eine Investition in die Technologien zu entscheiden. Der Aufwand ist oft hoch, der Nutzen vorab schwer in Zahlen zu fassen. Deshalb entsteht am Fraunhofer IEM eine Wartungsplanung, die Unternehmen aufwandsarm und kostengünstig einsetzen können sollen. „Nach dem Retrofit-Prinzip entwickeln wir die Lösung exemplarisch anhand einer alten Industriesäge. Eine Lowcost-Sensorik nimmt Zeitreihendaten auf und überträgt diese an eine Cloud. Anschließend erfolgt eine automatische Anpassung und Optimierung KI-basierter Algorithmen, die den Zustand des Sägeblattes überwachen und Handlungsempfehlungen ausgeben“, erläutert Maximilian Bause. Die Wartungsplanung können Unternehmen ab Sommer 2024 mit dem Fraunhofer IEM an eigenen Anwendungsfällen umsetzen. Die Kooperation zwischen Encoway und dem Fraunhofer IEM wurde im BMBF-Projekt Easy (Embedded Artificial Intelligence for Production Systems gefördert. Weiterer Projektpartner war Düspohl Maschinenbau.







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