Typische Messwerterfassung mit zentraler Datenbank und darauf zugreifenden Anwendungen Bild: MFP

Vorhandene Topologien nutzen

Ähnliche Strukturen finden sich bereits in vielen Installationen für die Betriebs- und Maschinendatenerfassung (BDE/MDE). Wenn der Server entsprechend belastet werden kann, lässt sich die dort verwendete, zentrale Datenbank auch mit RFID-Messwerten ‚füttern‘. Damit liegt der Gedanke nahe, bestehende BDE/MDE-Anwendungen oder das übergeordnete MES für die Verarbeitung von RFID-Daten zu erweitern. Der Aufbau einer hierarchische Struktur mit einer Zentrale und diversen Sub-Zentralen kann dann dazu dienen, Engpässen in der Kommunikation vorzubeugen.

Diese Betrachtungsweise ist erst einmal grundsätzlich vertraut, moderne Ansätze zur Dezentralisierung müssen daher deutliche Vorteile aufzeigen, um in diesem Umfeld Anwendung zu finden oder bestehende Lösungen zu ersetzen. Ein dezentrales Konzept bei der Erfassung und Verarbeitung von RFID-Tags kann dabei auf die bestehende LAN-Infrastruktur mit Ethernet- und Wifi-Technologie aufsesetzen. Für die Übermittlung der Messwerte wird dann die Rundruf- oder ‚Broadcast‘-Technik verwendet. So kann jedes im Netzwerk befindliche Gerät gleichzeitig einen Messwert, etwa beim Eintritt eines RFID-Tags in den Erfassungsbereich des Lesers, erhalten.

Da sich nicht alle Anwendungen für diese Information ‚interessieren‘, sorgen entsprechende Filter dafür, dass aus der Flut der Messwerte nur relevante Werte berücksichtigt werden. ‚Intelligente‘ Anwendungen können diese Filter an ihren Betriebszustand anpassen, oder sie hören prophylaktisch alle Signale mit und greifen je nach Zustand, Auftragslage und Datenaufkommen auf die passenden Informationen zu. Da die Rundruftechnik verbindungslos arbeitet, werden keine bilateralen Beziehungen zwischen Gerätenaufgebaut. Die Informationen stehen im Fokus, die Netzwerk-Teilnehmer werden lediglich als Erzeuger oder ‚Producer‘ und Verbraucher oder ‚Consumer‘ von Daten charakterisiert. Da jedes Gerät sowohl Erzeuger als auch Verbraucher sein kann, ergeben sich folgende Auswirkungen:

  • Nur Erzeuger stellen eine Netzwerklast dar, die Verbraucher ‚lauschen‘ lediglich im Netzwerk.
  • Erzeuger leiten ihren Netzwerkzugriff aus den Eigenschaften der zu übertragenden Informationen ab und können so autonom gestaltet werden.
  • Der Einsatz von Verbrauchern ist prinzipiell beliebig skalierbar und für das Netzwerk rückwirkungsfrei.
  • Alle Geräte können alle Informationen gleichzeitig mithören. Damit ist eine Synchronisierung aller Prozesse jederzeit möglich.
  • Für den Einsatz autonomer Komponenten im Sinne von Industrie 4.0 ist keine spezielle Infrastruktur erforderlich.
Broadcast-Kommunikation als Basis für hochflexible dezentrale Systeme mit autonomen Komponenten Bild: MFP

Klassische Zentralen mit Archivierungscharakter werden so zu simplen Verbrauchern und ihre Dateninhalte stehen weiterhin zur Verfügung. Für die praktische Einführung solcher Technologien ist wichtig, dass sowohl die zentral orientierte Kommunikation als auch Rundruftechnik gleichzeitig eingesetzt werden können. So lassen sich dezentrale Komponenten einfach zu bestehenden Anlagen hinzufügen. Allerdings ist aus Sicht der Anwendung eine nachträgliche Umrüstung auf ein dezentrales System fast unmöglich, da hierbei beispielweise die Fertigungssteuerung vom Push- auf ein Pull-System umgestellt werden müsste.

Dagegen ist die Anpassung eines flexiblen, dezentralen Systems an eine zentrale Anwendungsstruktur jederzeit möglich und kann auch wieder rückgängig gemacht werden. Das spricht dafür, auch bei der Modernisierung von Altanlagen nicht die Zentralen weiter ‚aufzubohren‘, sondern dezentrale Strukturen über die Rundruftechnik aufzubauen und so einen schrittweisen Übergang auf Industrie 4.0 zu ermöglichen. Irgendwann kann der Anwender dann den zentralen Server abschalten, und der Informationsaustausch läuft weiter wie gewollt. Diese Rundruftechnik wurde im Forschungsprojekt Agilita bei der Pilotinstallation eines agentenbasierten MES bereits praktisch erprobt und hat neben Vorteilen bei der Kommunikation auch zu einer erheblichen Vereinfachung autonomer Komponenten – in diesem Projekt kamen dazu Softwareagenten zum Einsatz – geführt.