Industriepartnerschaft

Saar-Uni und Dillinger wollen Wasserstoff-Pipelines vor Versprödung schützen

Mit ‚grünem‘ Wasserstoff sollen energieintensive Unternehmen, etwa aus der Stahlindustrie, klimaneutral werden. Jedoch sorgt Wasserstoff dafür, dass Materialien, die mit ihm in Kontakt kommen, verspröden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität des Saarlandes suchen daher gemeinsam mit Dillinger nach einem Verfahren, um Materialien auf ihre Beständigkeit gegen Wasserstoff hin zu untersuchen.

 (Bild: © Thorsten Mohr)
(Bild: © Thorsten Mohr)

Wie könnte ein standardisiertes industrielles Prüfverfahren aussehen, das die Empfindlichkeit von Stahl auf Wasserstoff untersucht? Mit dieser Frage beschäftigen sich Florian Schäfer, Jonas Fell, die Professoren Christian Motz und Hans-Georg Herrmann sowie das Unternehmen Dillinger in den kommenden drei Jahren.

„Es gibt Prüfnormen für Druck- und Zugfestigkeit von Stählen und viele weitere genormte Prüfverfahren, denen sich ein neu entwickelter Stahl unterziehen muss, um für den Pipelinebau zugelassen zu werden“, erläutert Florian Schäfer. „Aber es gibt kein umfassendes standardisiertes Verfahren, um Stahl daraufhin zu untersuchen, wie er mit Wasserstoff reagiert“, erklärt der promovierte Materialwissenschaftler weiter. „Das Kernproblem dabei ist die sogenannte ‚Wasserstoffversprödung’“, ergänzt Christian Motz, Professor für experimentelle Methodik der Werkstoffwissenschaften an der Universität des Saarlandes. „Dieses altbekannte Phänomen betrifft vor allem hochfeste Materialien wie zum Beispiel Pipeline-Stahl oder auch Stahldrähte in Spannbetonbrücken. Wenn sich Wasserstoff im Material anreichert, sinkt die Festigkeit des Materials und es können kleinste Schäden und Risse entstehen, die die Pipeline oder die Brücke ernsthaft gefährden können“, so der Wissenschaftler. „Obwohl man es schon lange kennt – seit dem 19. Jahrhundert –, wissen wir wenig, wie sich die Wasserstoffversprödung in hochkomplexen Werkstoffen wie modernen Stählen auswirkt“, führt Motz aus.

Bisher nur am Rande ein Problem

Das liegt vor allem daran, dass Schäden durch Wasserstoffversprödung bisher nur am Rande ein Problem waren. Doch mit dem Bestreben ‚grünen‘ Wasserstoff als Energieträger der Zukunft für industrielle Prozesse in großem Maßstab einzusetzen, ändern sich auch die Größenordnungen von Wasserstoff, der vor allem in Pipelines anfällt.

„Wir versuchen zum einen herauszufinden, welche Prüfmethoden wirklich effizient sind. Bisher dauert es je nach Methode bis zu einem Jahr, bis ein Ergebnis vorliegt. Zweitens wollen wir herausfinden, wie wir Wasserstoff auf einem standardisierten Weg ins Material hineinbekommen“, erklärt Florian Schäfer. Diese Beladungsmethoden seien höchst unterschiedlich, so Christian Motz: „Ich kann Wasserstoff elektrochemisch ins Material bringen oder durch Druckbeladung. Dafür setze ich ihn unter 200 bar Druck bei 200 bis 300°C. Das will man aber nicht im Labor haben.“

Um die durch Wasserstoff verursachten Schäden zu finden, setzen die Forscher auf Computertomographie (CT). Damit kann das Team um Jonas Fell etwa Risse und Poren, die durch den Wasserstoff entstanden sind, analysieren.

„Wir nutzen ein einzigartiges, hochmodernes Forschungsgerät, mit dem Strukturen in einer Größe von 50 Nanometer abgebildet werden können. Dies ist ungefähr tausendmal kleiner als die Dicke eines menschlichen Haares“, erklärt Fell. In Kombination mit einer zweiten Anlage lassen sich dadurch kleinste Schäden in den Stählen über mehrere Größenordnungen hinweg, vom Millimeterbereich bis zum Nanometerbereich, sichtbar machen. Anhand dieser Analyse können die Forscher die Eignung der Stähle für den Einsatz in zukünftigen Pipelines bewerten.

Die Methode erlaubt es zudem, noch einen Schritt weiter zu gehen und zeitliche Veränderungen, wie die Entstehung von Rissen und deren Wachstum, live zu beobachten. Dazu soll im Rahmen des Projekts ein spezieller Prüfaufbau entwickelt werden, mit dem die Stähle unter Einfluss von Wasserstoff mechanisch beansprucht und gleichzeitig mittels Röntgentechnik beobachtet werden.

Universität des Saarlandes






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